Bericht · Die rasante Bevölkerungsentwicklung unserer Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar. War Düsseldorf um 1830 noch ein beschauliches, von den Preußen verwaltetes Provinzstädtchen mit nicht einmal 30.000 Einwohnern, ergab der Zensus im Jahr 1890 schon beinahe 150.000 Bürger – die fünffache Menge! Das lag vor allem daran, dass die handelspolitischen und technologischen Veränderungen sich für die Stadt positiver auswirkten als für beinahe alle anderen Orte im Rheinland. Klug wie sie waren, reagierten die Stadtoberen mit massiven, einschneidenden Veränderungen der Infrastruktur – neben dem Bau des Hafens, der 1896 abgeschlossen war, eben die große Rheinuferverschiebung zwischen 1898 und 1902. [Lesezeit ca. 4 min]

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Zuvor sah das Rheinufer zwischen der Carl-Theodor-Insel (heute: die Lausward) und Kaiserswerth über gut und gerne 600 Jahre gleich aus. Vor der Altstadt gab es sandige Buchten wie am Rheinstrand (so ähnlich wie heute noch vor Oberkassel). Die alten Häuser standen teilweise mit den Füßen im Wasser, und nur die Einfahrt zum alten Hafen und zum in napoleonischer Zeit angelegten Sicherheitshafen brachten Veränderungen mit sich.

Die Düsseldorfer Rheinfront um 1882 auf einem Gemälde von Franz Stegmann (via Wikimedia, public domain)

Die Düsseldorfer Rheinfront um 1882 auf einem Gemälde von Franz Stegmann (via Wikimedia, public domain)

Übrigens: Das beschriebene Bevölkerungswachstum jener Epoche lässt sich nicht – wie ab 1909 – durch Eingemeindungen erklären. 1394 waren Bilk, Derendorf und Golzheim hinzugekommen, 1394 Hamm und 1487 Volmerswerth. Danach waren keine weiteren Dörfer zur Stadt geholt worden. Immer mehr Menschen bevölkerten Düsseldorf, weil einerseits die Geburtenraten ab etwa 1830 enorm hoch waren und weil zigtausend Menschen in die boomende Industriemetropole zuzogen.

Rheinpanorama vom Juni 1897, aufgenommen vor der Rheinuferverschiebung (Foto: Rheinbahn AG, public domain)

Rheinpanorama vom Juni 1897, aufgenommen vor der Rheinuferverschiebung (Foto: Rheinbahn AG, public domain)

Zwei Faktoren lösten diesen Boom aus und befeuerten ihn Jahr für Jahr: einerseits die Tatsache, dass die Stadt Köln entsprechend der Mainzer Akte 1831 das Stapelrecht verlor und 1834 der deutsche Zollverein in Kraft trat, andererseits, dass Düsseldorf schon ab 1838 Knotenpunkt der ersten westdeutschen Eisenbahnstrecken war. Gleich 1831 richteten die Stadtoberen einen Freihafen ein, und innerhalb von nicht einmal zehn Jahren wurde Düsseldorf zu einem wichtigen Handelsplatz am Rhein.

Nach der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 und der damit verbundenen Verwaltungsreform beschlossen die klugen Ratsleute ausgesprochen niedrige Steuersätze für Handels-, Handwerks- und Industrieunternehmen, was in der Folge Dutzende Firmen – besonders aus Flandern, aus der Eifel, aus Nordfrankreich und sogar aus Italien – anzog. Nun war Düsseldorf also um 1890 eine wahre Boomtown. Außerdem hatte die Entwicklung des Handels dazu geführt, dass man sich auch als Messe- und Ausstellungsstandort profilieren wollte. Also beschloss man, das Rheinufer zwischen dem Berger Tor am Südende der Altstadt und der Golzheimer Insel um bis zu 37 Meter in Richtung Strommitte zu verschieben und durch Kaimauern auf zwei Ebenen zu befestigen, um so die Stadt dauerhaft vor Hochwasser zu schützen.

Das Rheinufer vorher (links: 1878) und nachher (rechts: 1906) (Quelle: maps.duesseldorf.de)

Das Rheinufer vorher (links: 1878) und nachher (rechts: 1906) (Quelle: maps.duesseldorf.de)

Gleichzeitig wurde die Golzheimer Insel, ein sumpfiger Streifen kaum genutzten Landes zwischen der Stelle, wo heute die Rheinterrasse steht, und der Schnellenburg anzuheben, zu entwässern und so für die für 1902 geplante Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf nutzbar zu machen. Über eine Länge von rund 1,6 Kilometern sollte sich unterhalb der Promenade das Untere Rheinwerft als Erweiterung des Hafens erstrecken, während oben eine Straße angelegt wurde, die auf Höhe des heutigen Gebäudes der Bezirksregierung begann und über den Burgplatz und unterhalb des Rathauses bis zum heutigen Unterbilk führte.

Dieses Unternehmen war ein ähnlicher Kraftakt wie rund 80 Jahre später der Bau des Rheinufertunnels, aber die Auswirkung der Rheinuferverschiebung auf die Stadt war um ein Vielfaches größer. Nicht nur, dass schlicht mehr Bau- und Verkehrsfläche gewonnen wurde. In Verbindung mit der sukzessiven Umnutzung der ehemaligen Befestigungsanlagen sprengte diese Verlegung quasi die alten Fesseln der Stadt.

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