Lesestück · Nun gut, dass die Gruppe Kraftwerk aus Düsseldorf zu den großen Innovatoren der Popmusik zählt, ist kleine Münze. Auch die Tatsache, dass sich das Epizentrum des deutschen Punk in unserer Altstadt befand, weiß fast jeder. Weniger bekannt ist aber, dass eine der innovativsten Rockgruppen der Sechzigerjahre beinahe von Düsseldorf aus weltberühmt wurde: The Monks. Denn der große Werbemensch Charles Wilp war ab 1967 einer der wichtigsten Förderer dieser durch und durch ungewöhnlichen Band. [Lesezeit ca. 5 min]

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Im Sommer 1966 war ich dreizehn Jahre alt und wie alle Jungs und Mädchen in diesem Alter totaler Fan der Beat- und Rockmusik. Da kam der Beat-Club von Radio Bremen gerade recht. Den gab es ab September 1965, und die Sendung war spätestens ab der Folge aus dem Januar 1966, in der Chris Andrews seinen „Yesterday Man“ sang, ein samstäglicher Pflichttermin. Am 16. Juli 1966 wurde es sehr, sehr schräg: Fünf Typen in Schwarz, die sich Tonsuren hatten rasieren lassen und Tauenden als Krawatten trugen, veranstalteten einen Höllenlärm wie man ihn zuvor noch nie gehört hatte.

The Monks - Oh, how to do now (1966)

Sie unterschieden sich in jeder Hinsicht von den gängigen Beatbands jener Tage. Alle fünf standen nebeneinander am Bühnenrand. Einer spielte das Banjo als Rhythmusinstrument. Der Drummer schlug mit einem Schellenstock auf die Felle ein. Der Sänger prügelte zwei Tambourine gegeneinander, und der Organist malträtierte seine fiese Farfisa. Dazu wurde nicht gesungen, sondern „gechoutet“. Wir Jugendlichen an den Fernsehempfängern waren schockiert, und natürlich kaufte niemand die LP namens „Black Monk Time“, die heute als eines der wegweisendsten Alben der Rockgeschichte gilt. Später gaben zahllose Punk- und Hardrockmusiker die Monks als Einflussgeber an.

Der wunderbare Film „monks – the transatlantic feedback“ aus dem Jahr 2006 erzählt die Geschichte dieser Ex-GIs, die in Deutschland hängengeblieben waren und ab 1964 eine erfolglose Coverband betrieben. Denn alles, wirklich alles, was aus den Burschen die Monks machte, ist auf dem Mist eines für damalige Zeiten unglaublich konsequenten Marketingfuzzis namens Karl-Heinz Remy gewachsen. Für den eigenwilligen Musikstil zeichnet der Folkwang-Student Walther Niemann verantwortlich. Man kann auch sagen: The Monks waren ein Retortenprodukt … das trotz allem nicht besonders erfolgreich wurde. Meist spielte man in kleinen Städten, die Tournee zusammen mit den Troggs und The Creation im Jahr 1967 durch Deutschland war dann schon der Höhepunkt.

Monks: The Transatlantic Feedback (Official Trailer)

Wir wissen nicht, wann und wie Charles Wilp, der für Düsseldorf so wichtige und typische Werbekünstler, auf die Monks gestoßen ist. Auf jeden Fall war er von deren Musik und Auftreten derart beeindruckt, dass er sie in sein Studio an der Corneliusstraße in Düsseldorf einlud. Remy und Niemann baten Wilp, bei der Vermarktung zu helfen, aber der Fotograf und Filmer hielt sich nicht dafür geeignet, versprach aber, die Band mit seinen Möglichkeiten zu fördern. Als das Konzept für seine legendäre Afri-Cola-Reklame Formen angenommen hatte, wollte er, dass die Monks für die Soundtracks sorgten. Der Auftraggeber lehnte ab, und so „komponierte“ Wilp selbst einen wilden, atonalen Musikteppich, den er von einem 40-köpfigen klassischen Orchester einspielen ließ.

AFRI-COLA ADS (behind the scenes w/Charles Wilp)

Im Jahr 1967 spielten die Monks mehrfach in Wilps Atelier an der Corneliusstraße, und zwar so laut und wild, dass die Menschen auf der Straße stehenblieben und Kinder neugierig ins Treppenhaus vordrangen, um zu sehen, was sich da abspielte. Und weil Charles Wilp mehr nicht tun konnte für die Band und sich kaum noch Veranstalter bereitfanden, die Truppe zu engagieren, endete dieses bis dahin einzigartige Experiment der Rockmusikgeschichte mit einem schleichenden Tod, der mit der Rückkehr der Musiker in die USA vollzogen wurde. Die Quellen dazu unterscheiden sich, aber wesentlich länger als bis zum Herbst oder Winter 1967 wird die Karriere der Jungs nicht gedauert haben. Ironie der Geschichte: In einem Werbespot aus dem Jahr 2000 benutzte Coca-Cola die Musik der Monks…

Wilp, der Werbemensch im kanariengelben Overall (Screenshot: YouTube - siehe unten)

Wilp, der Werbemensch im kanariengelben Overall (Screenshot: YouTube – siehe unten)

Die Karriere des Charles Paul Wilp, geboren 1932 in Witten, war da aber noch lange nicht zu Ende. Dass er überhaupt zu einem gefeierten Reklamemensch wurde, hängt mit der radikalen Veränderung der Werbung in Deutschland in den Sechzigerjahren zusammen, die natürlich ihren Ausgangspunkt in Düsseldorf hatte. Wilp hatte zunächst Kunst an der Académie de la Grande Chaumière in Paris studiert und dort auch den Maler Yves Klein kennengelernt. Weil schon der junge Charles immer und immer wieder von der Raumfahrt schwärmte, heftete ihm Klein 1960 den Ehrentitel „Prince of Space“ an. Die Freiheit im All und in der Schwerelosigkeit blieben Themen, die den durchaus zukunftsbegeisterten Wilp bis zu seinem Tod im Jahr 2005 verfolgten.

Wilp spricht über seine Leidenschaft für die Raumfahrt (Screenshot: YouTube - siehe unten)

Wilp spricht über seine Leidenschaft für die Raumfahrt (Screenshot: YouTube – siehe unten)

Nach der Rückkehr aus Paris studierte Wilp solche für damalige Zeiten ungewöhnlichen Fächer wie Synästhesie und Wirkungspsychologie. Dazu aber auch weiterhin Kunst und zusätzlich Publizistik. Man kann sich Charles Wilp durchaus als Universalgenie vorstellen. Dass er ab 1963 dann ausgerechnet als Werbefotograf bekannt wurde, geschah eher zufällig und hatte seine Ursache vermutlich darin, dass viele Entscheider in den Unternehmen in den turbulenten Sechzigern das altmodische Abfotografieren leid waren und eben modern sein wollten.

Projekt "Sandzeichnungen": Wilp und Beuys am Strand in Kenia (via artnet.de - siehe unten)

Projekt „Sandzeichnungen“: Wilp und Beuys am Strand in Kenia (via artnet.de – siehe unten)

Ähnlich wie Michael Schirner, das andere Düsseldorfer Werbegenie jener Jahre, war Charles Wilp der hiesigen Kunstszene eng verbunden und arbeitet besonders mit den Künstlern der ZERO-Gruppe sowie Joseph Beuys und Anatol mehrfach zusammen. Das Afrika-Projekt „Sandzeichnungen“ von 1974, bei dem er Beuys fotografierte und filmte, wie der an Stränden in Kenia Zeichnungen und Texte in den Sand malte, zählt zu den ungewöhnlichsten Kooperationen zwischen einem Künstler und einem Werbefotograf.

Am bekanntesten wurde Wilp allerdings mit den TV-Spots und Plakaten für Afri-Cola. Es wäre ein Jammer, wenn dieser Charles Paul Wilp und auch The Monks in Vergessenheit gerieten.

[Bildnachweis – alle YouTube-Screenshots aus der Doku „AFRI-COLA ADS (behind the scenes w/Charles Wilp)„; „Sandzeichnungen“ via artnet.de]

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