Eindrucksvoll, was mit diesem F95-Kader in dieser Saison möglich gewesen wäre … kleine Schönheitsfehler inklusive…
Analyse · Machen wir uns nix vor: Die Auer aus dem Erzgebirge waren das bisher schwächste Team, das sich in der Glücksspiel-Arena vorgestellt hat … mit Abstand. Und: Ohne den kleinen großen Männel hätten sie die Bude noch voller gekriegt. Denn das ist die Kehrseite der vielfach angeführten „mangelnden Chancenverwertung“, dass da beim Gegner immer auch einer im Kasten steht. Auch deshalb gingen von den statistisch 19 Torschüssen „nur“ drei rein. Ansonsten möchte euer in guten wie in schlechten Zeiten ergebener Beobachter sich vor allem an den Unterschieden zu „früher“ (also von vor dem Kiel-Spiel) abarbeiten. [Lesezeit ca. 8 min]
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Unterschied Nummer 1: Die Mannschaft geht von Minute Null an steil. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was unter Preußer so oft ins Verderben geführt hat. Denn das herrliche 1:0 in der fünften Spielminute war noch nicht einmal die erste Chance. Und blieb innerhalb der ersten Viertelstunde auch nicht die letzte. Mindestens zweimal (in der 7. und in der 8. Minute) hätten die Roten nachlegen können. Schon da zeigte der Keeper, der immer Schwarz trägt, dass er es ist, der seinen Club (noch) in der zweiten Liga hält.
Dabei war es kein blindes Anrennen, was die Fortunen da zeigten, sondern ein feines, überlegtes, konzentriertes und vor allem kontrolliertes Kombinationsspiel. Da gab es ganz offensichtlich einstudierte Kombinationen, da sahen wir fein abgestimmte Laufwege, da wusste jeder genau, was er zu tun hatte. Sind das schon die Früchte der Arbeit des neuen Cheftrainers? Man weiß es nicht. Zumal es diese spielerische Qualität auch schon unter CP gab. So gesehen muss man den heutigen Sieg in eine Reihe mit dem gegen Schalke, aber auch der unglücklichen Niederlage in Kiel stellen.
Sind es also doch die drei Neuen? Vieles spricht dafür. Trotzdem mag kaum ein Fan öffentlich zugeben, dass der alte Trainer mit Gavory, de Wijs und Ginczek vielleicht auch so erfolgreich geworden wäre wie es Daniel Thioune jetzt ist. Im Gegenteil: Da treten doch tatsächlich Nasen in den Sozialmedien auf, die Klaus Allofs vorwerfen, er habe Preußer zu spät entlassen. Euer Ergebener meint: Mit dem „alten“ Kader hätte auch Thioune Probleme gehabt erfolgreich zu sein.
Nicht zu vergessen: Die Anwesenheit von knapp 10.000 F95-Fans im Stadion trägt ihren Teil zu den bisherigen Heimspielsiegen bei. Auch wenn es natürlich nicht annähernd so ist wie damals, also vor inzwischen fast zwei Jahren als selbst zu unspannenden Partien selten weniger als 24.000 Menschen in die Arena eilten, als ein starker, sangesfreudiger Ultra-Block die Spieler anfeuerte, als die Süd manchmal regelrecht brodelte und die Stümmung aufs Team übersprang. Und doch: Wer heute da war, der wollte sich nicht einfach „unterhalten“ lassen (etwas, was TV-Kommentatoren Zuschauenden konsequent unterstellen), der wollte seine Mannschaft anfeuern.
Das klappte mit so wenig Mündern hinter Masken trotz der immer noch fehlenden Ultras ganz gut. Wenn dann beim kommenden Heimspiel gegen Ingolstadt mit einiger Wahrscheinlichkeit 25.000 Düsseldorfer:innen den Weg nach Stockum finden, wird es sicher deutlich lauter. Der Ergebene hat es nun schon so oft geschrieben: Die glorreiche Fortuna brauchte zum Siegen immer schon große Emotionen. Womit wir beim vielleicht größten Unterschied zwischen Thioune und Preußer sind. Daniel hat, was Christian fehlte.
Insofern kann man sagen: Daniel Thioune zeigt, was in dieser Saison mit diesem Kader (plus der Neuen, minus der Abgänge) möglich gewesen wäre. Wie der neuen Chefcoach wirkt, kann man an drei Spielern festmachen: Zimbo Zimmermann, Cello Sobottka und vor allem Rouwen Hennings, der nun endlich wieder – wie es einem Knipser gebührt – seinen Stammplatz im gegnerischen Sechzehner einnehmen darf. Und das heute mit zwei wunderhübschen Hütten demonstriert hat. Wobei: Das 1:0 per Kopf! Hat man auch nicht so oft vom Rouwen gesehen. Und weil Hennings nun wieder in der Box rumturnt und nicht mehr nur den ominösen Wandspieler geben muss, weiß der unvergleichliche Khaled Narey wieder, wo er seine schicken Flanken hinschicken muss.
Bärenstark auch Cello. Mit einem bisschen Küchenpsychologie könnte man vermuten, dass Thioune ihm die Last von den Schultern genommen hat, Führungsspieler zu sein, also seine Kollegen anzufeuern oder auch mal anzuranzen. Jetzt konzentriert er sich auf das, was er kann: den Laden zusammenhalten und Offensivaktionen einleiten. Der Ergebene fragt sich: Hat Marcel Sobottka schon den Zenit seiner Schaffenskraft erreicht? Die Antwort: Nein, da geht noch mehr.
Was genau DT dem Zimbo in seinen Isodrink mischt, weiß keiner, aber der Rechtsläufer hat auch heute wieder viel besser ins Spiel gefunden. Kann natürlich sein, dass es an der Schwäche der Auer auf seiner Seite lag, dass er so mehr Zeit und Raum hatte, sich in den Angriff einzumischen. Dass er und Narey prima harmonieren, ist nichts Neues. Gerade in der zweiten Halbzeit konnte der linke Flügel mit Nicolas Gavory und Shinta Appelkamp nicht mithalten. Im Gegenteil: Es wird immer deutlicher, dass sich der junge Shinta auf Außen überhaupt nicht wohlfühlt. Deshalb hatten die meisten Experten auch damit gerechnet, dass Kris Peterson gleich wieder diese Seite übernimmt und Appelkamp zentral als Zehner aufgeboten wird.
Dann aber hätte Shinta für Kuba Piotrowski spielen müssen. Der ist aber das, was man neumodisch einen Box-to-Box-Spieler nennt, also ein Achter mit großem Aktionsradius. Diese Rolle füllte Kuba ordentlich aus, war stark in der Balleroberung und ging weite Wege. Bei aller Leidenschaft, die der junge Pole auf den Platz bringt, fällt es ihm aber bisweilen schwer, die nötige Ruhe zu bewahren. So auffällig Piotrowski, so unauffällig Daniel Ginczek. Der immerhin den Elfer zum 2:0 verwandelte – nachdem er dem etatmäßigen Vollstrecker Hennings den Ball abgeschwatzt hatte. Dass der dem Daniel die Sache überließ, wurde von Thioune in der Pressekonferenz ausdrücklich gelobt.
Wobei: Viel blöder kann man einen Strafstoß nicht verschulden als es der Erzgebirgler getan hat, der Sobottka ohne Not an der Sechzehnergrenze zu Fall brachte. Die Situation in der 50. Minute war nämlich alles andere als heiß: Cello stand mit dem Rücken zum Tor und hatte vor sich keine sinnvolle Anspielstation. Die kölschen Grottenolme erhoben Einspruch, und es wurde geprüft, ob sich das Foul nicht außerhalb des Strafraums abgespielt hatte. Hatte es aber nicht.
Angesichts der eklatanten Schwächen des FCE, die deren Zwischendurchtrainer Dotchev in der Pressekonferenz offen zugab, schien der Fisch nach dieser Bude geschuppt. Die Konzentration der Roten nahm ab, was den Eindruck hinterließ, sie wollten das Ergebnis nur über die Zeit bringen. Die Statistik spricht dagegen, denn nach dem 2:0 erarbeitete sich das Team mehr Tormöglichkeiten als zuvor. Nur in der Defensive schlichen sich milde Schlampereien ein
Und es gab mal wieder diesen Kastenmeier-Moment. Der Flo hatte zuvor so wenig zu tun, dass er eigentlich durchgehend als elfter Feldspieler mitmachen konnte. Natürlich stand er deshalb immer recht weit vor seinem Gehäuse. So in der 56. Minute. Flo hat den Ball gut einen Meter vor der Strafraumkante, ein Aue-Mensch kommt angerannt, will auf die Pille, Kastenmeier schlägt eine Kerze, kommt in den Zweikampf und muss das Ei in höchster Not aus der Gegend köpfen.
So fein der Spielzug der Gäste in der 75. Minute auch war; das Tor geht zu einem großen Teil auf Flo Kastenmeier. Zwar geht er aus dem Kasten, um den Winkel zu verkürzen. Aber er macht sich halt nicht breit. Das Ding ist drin, und die alterfahrenen F95-Fans kriegen das Schaudern. Nur noch ein Tor Vorsprung, nur noch ein Fehler bis zum Ausgleich. Aber die Innenverteidigung mit dem großartigen Jordy de Wijs und dem jungen Chris Klarer hält stand. Der Ösi war kurzfristig für Andre Hoffmann reingerutscht, weil der sich im Training die Nase gebrochen hat.
Aber nicht nur die Viererkette fand zurück zur vollen Konzentration. Der Rest der Truppe entfachte einen Angriffswirbel, der sich gewaschen hatte. Entweder es ging über die Achse Zimbo-Khaled plus Cello oder Kuba, oder Steil- und Diagonalpässe von de Wijs landeten in den Füßen der Stürmer. Da war dann nur noch Beton im Auer Strafraum, und erneut war es Männel, der seine Kollegen vor dem nächsten Tor bewahrte.
In der Nachspielzeit dann wieder eine Glanztat von Narey (den nach dem Abpfiff fast das ganze Trainer- und Funktionsteam herzte). Der kommt aus der eigenen Hälfte, überläuft ein paar Gegner, wird getaklet, bleibt aber auf den Füßen, nimmt das Ei mit, geht ganz runter bis zur Auslinie und legt dann nach innen auf den kurzen Pfosten ab. Und da tummelt sich unser aller Rouwen und haut dem Männel das Ding mit der Hacke rein. Was für ein Tor! Was für eine Erleichterung, was für ein Jubel. Und das als klare Konsequenz der Anweisungen von Trainer Thioune. So kann Hennings glänzen. Und die weniger dankbare Rolle als Wandspieler muss eben Ginczek übernehmen…
Endlich macht die Fortuna in der Nachspielzeit den Sack zu. Endlich mal fängt sie sich keinen tödlichen Treffer nach der 90. Minute. Das tut gut. Bei aller Begeisterung über den zweiten Heimsieg in Folge muss aber auch im Kopf behalten werden: Einen schwächeren Gegner werden unsere Jungs in dieser Saison nicht mehr zu Gast haben – selbst Ingolstadt ist aktuell stärker einzuschätzen als der FC Erzgebirge Aue. Das soll die Leistung der Roten nicht schmälern, aber die Sache ein bisschen in die Realität einsortieren.
Die gute Nachricht: Nächste Woche geht’s nach Regensburg gegen ein Team, das nach einem Höhenflug zu Beginn der Saison kontinuierlich nachlässt. Der Jahn hat zuletzt vier Niederlagen am Stück eingefahren, davon zwei zuhause. Die sind zu knacken, wenn die Fortuna die Leistungen der letzten drei Spiele (immer wieder muss das Kiel-Spiel mit eingerechnet werden!) stabilisieren oder womöglich steigern kann. Regensburg schießt fast immer Tore und hat schon 42 davon auf dem Konto. Hinten aber sind sie anfällig, aktuell so anfällig wie auch Aue.
Bis zum Heimspiel gegen die Schanzer wollen wir noch gar nicht schauen. Weitere sechs Punkte sind möglich, und sie würden die glorreiche Fortuna im besten Fall bis auf den zehnten Platz hieven. Dann wäre Schluss mit dem Abstiegsgerede, und alle Beteiligten könnten sich schonmal Gedanken über die Zweitkigasaison 2022/23 machen. Natürlich mit Daniel Thioune als Cheftrainer und vielleicht, vielleicht sogar mit Jordy als neuem Publikumsliebling – die Verlängerung seiner Leihe von den Queens Park Rangers rückt nämlich so langsam in greifbare Nähe.
5 Kommentare
Der Ergebene glaubt also immer noch daran, dass es nicht an CP lag, sondern jetzt an den 3 Neuzugängen.
Da kann ich nur den Kopfschütteln ….
De Wijs ist eine richtig gute Leihe das stimmt, bei Ginczek kann man das überhaupt noch nicht sagen was seine Leistungen auf dem Platz angeht, hält sich die Begeisterung in Grenzen und bei Gavory hat man wieder einen extrem langsamen LV verpflichtet, der bei den Gegentoren gegen S04 und Aue einen erheblichen Anteil daran hatte, seine Flanken sind auch Verbesserungswürdig (aber ja Er ist besser als Hartherz, was ein Scouting Kunststück).
Seit zwei Spieltagen hat die Fortuna einen Profi Trainer (wenn nicht sogar zwei) vorher einen Praktikanten der im bezahlten Fußball in Zukunft nicht mehr auftauchen wird. Man sieht seit 2 Spielen in Folge den deutlichen Unterschied, dass die Mannschaft mit einer ganz anderen Art und Weise 1 bis 90min. Fußball spielt (in Kiel war das auch nur Anfangs so und generell unter CP nur phasenweise) leidenschaftlich kämpft und sogar dominant auftritt. JA die Trainerentlassung kam Viel zu spät und die Trainerentscheidung im Sommer von Allofs und Klein war ein Griff ….——
Ja, sehe ich auch so, dass Auftreten der Mannschaft ist völlig anders. Der Schritt, den Trainer zu wechseln, hätte man m. A. n. auch schon in der WP vollziehen müssen.
Ehem… ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass die Uhr 89:57 zeigte, als der Ball die Henningsche Hacke verließ.
Also nix Nachspielzeit!
(Ich weiß es so genau, weil ich meine Stoppuhr zur Messung der Nachspielzeit starten wollte und daher die Stadionuhr im Blick hatte…)
Ich weiß nicht, ob de Wijs verwachst hatte, aber wenn die tatsächlich grottenschlechten Auer seine beiden Extremwackler in HZ1 genutzt hätten, wären wir arm dran gewesen. Ich sehe noch gar nicht, wieso der viel besser als Oberdorf sein soll. Vielen Dank aber dafür, dass er mal nicht stereotyp als „Kante“ tituliert wurde!
Kastenmeier hat für mich das Tor zu 90% verschuldet, weil er viel zu spät und nur halbherzig rauskam; er hatte aus meinem Blickwinkel reichlich Zeit, um die Entwicklung zu erkennen.
Gavory ist SO NOCH nicht besser als Koutris, weil er wenig eingebunden wird; streckenweise wurde seine Seite förmlich boykottiert, dabei kann der offenbar gut den Doppelpass … Vielleicht finden die Kollegen ja ebenfalls, dass er zu langsam ist.
Zur Causa Appelkamp ist alles gesagt; für mich fast totaler Ausfall. Ich fürchte nur, der Eintänzer Tanaka ist (momentan) nicht besser zu gebrauchen. Diese Mittelfeldschwäche bleibt uns offenbar erhalten, auch wenn Piotrowski und Sobottka ihre Sache jetzt wirklich ordentlich machen. Das Spiel wird bloß immer „Narey-rechtslastiger“, keine günstige Entwicklung m.E.
Die zwei langen Jahre des sportlichen Leidens sind vorbei, Roubens !!!