So richtig doll hat mich Fußball nie interessiert. Also, der Fußballsport. Mag sein, weil ich zu wenig Ahnung davon hab. Vielleicht auch, weil mein Dad nicht auf Fußball stand. Der war mehr so für Rugby. Dass ich dann zu den Lads von Leeds kam, hatte mehr mit den Pubs in unserem Viertel und eben den Kumpels zu tun. Die waren eben Soccer-Fans. In meiner aktiven Zeit hab ich kaum je ein Fußballspiel live gesehen. Wir hatten was anderes zu tun. Und wenn, dann ließ mich das Gekicke kalt. Erst seit dem Aufstieg der Fortuna in die Zweite Liga 2009 begann ich, Fußball zu mögen. Und jetzt ödet mich das ganze System wieder zunehmend an. Okay, vielleicht hätte ich mich am Sonntag nicht im VIP-Bereich der Arena rumdrücken sollen…
Denn da kriegst du die öde Seite des Ligafußballs mit. Draußen wird gekickt, und drinnen hocken jede Menge Leute vor den TV-Bildschirmen, süffeln das Freibier und warten auf die Büffet-Eröffnung. Ansonsten werden Geschäftchen gemacht. Ist ja gut, dass mich keiner kennt. Oder: Dass mich keiner als Jurs Trulie erkennt. Mein Freund war Lehrer. Der sagte immer: Das Lehrerzimmer ist die Hölle auf Erden. Ich sage euch: So ein VIP-Raum ist schlimmer. Weil dieser ganze Mister-Wichtig-Kram aber offensichtlich zum modernen Fußball gehört, kann der mich mal.
Das Spiel – ich bin dann in den 21er gewechselt – war ja auch öde. Als gelernter Handwerker frage ich mich, wie Kerle, die dafür Geld kriegen, so viele handwerkliche Fehler machen können. Hätte ich so gearbeitet, wäre Leeds wahrscheinlich in der Scheiße geplatzter Abwasserrohre ersoffen. Dabei kann so eine Kickpartie ja auch schön und spannend sein. Meistens nur, wenn fremde Teams spielen – so die Sorte, die mit Messis, Ronaldos und Neymars gespickt sind. Aber dann lässt einen der Kampf an sich kalt. Hat mit dir ja nichts zu tun, wenn in der CL – was weiß ich – Manchester 1 gegen Manchester 2 oder Mailand gegen Madrid kickt. Guckst du sowas im TV, macht dich der Kommentator irre, der dir unbedingt Emotionen entlocken will. Öde…
Das einzige, was am Fußball interessant ist: Die Leute, mit denen du zusammen bist. Also die Fans, die du kennst und die dich kennen. So eine Stehtribüne ist ja wie ein Dorf, wo sich fast alle kennen. Und wenn einer ein paar Mal nicht gekommen ist, machen sich die Nachbarn Sorgen. Wird ja auch gar nicht hauptächlich über Fußball geredet vor dem Anpfiff, in der Pause und nach dem Spiel. Du erfährst, dass die Tochter von dem Typ mit dem Fortuna-Unterarm-Tattoo endlich einen Ausbildungsplatz hat. Und dass der Ingo und die Nicole geheiratet haben. Erinnerungen werden ausgetauscht. Legendäre Auswärtsspiele: Weißt du noch der schlammige Weg damals in Koblenz? Oder wie die Cops in Offenbach für uns Tote-Hosen-Songs über den Lautsprecher gespielt haben?
Das ist spannend. Das ist – so nennen Wissenschaftler das – der soziokulturelle Aspekt vom Fußball. Und davon haben zum Beispiel die ganzen Schreiberlinge und Sportreporter keine Ahnung. Und die Leute im VIP-Bereich schon gar nicht. Sonst könnten die nicht immer so verwirrt sein, wenn man denen erzählt, dass einen die Bundesliga nicht die Bohne interessiert. Eine Liga mit Red Bull, SAP Hoffenheim, VW-Burg, Audi Ingolstadt und einem Telekom-Adidas-Audi-Konzern, dessen Vorturner den Hals nicht vollkriegen. Wen außer den armen Schweinen, die in den zugehörigen Städten leben, sollte so ein künstlicher Dreck interessieren?
Nun schwafeln ja bei der Fortuna ganz viele von der Professionalisierung. Deshalb hat man auch diesen Allzweckmacher geholt, die wahrscheinlich auch ein Eishockeyteam managen könnte oder ein Internetportal. Da bei den VIPs kommt das gut, weil die sind ja alle Profis – 24×7, auch beim Rumlungern in der Arena. Die finden Professionalisierung klasse, weil sie selbst professionalisiert sind. Und weil das so ist, verstehen ein Vorstandsboss oder ein Aufsichtsratsvorturner nicht, was die Fans wirklich interessiert am Fußball. Wenn sie klug sind wie unser Schäfer, dann ermitteln sie das und handeln passend. Trotzdem werden alle Stehplatzfans – von der Altkutte über den Ultra bis zum Normalo – für die immer Aliens bleiben.
Und deshalb ödet mich der Fußball immer mehr an.
2 Kommentare
Also zumindest den Herrn E. sieht man auch schon mal mit seinen Kiddies bei der Zwoten, was ich durchaus als „bodenständig“ bezeichnen würde. Soooo weit weg vom Geschehen scheinen zumindest einige der Vorturner nicht zu sein.
Das kann ich bestätigen.