Also Block 3 ist ja ziemlich weit unten und ziemlich in der Mitte. Deshalb haben Leute da Dauerkarten, die was sehen wollen für ihr Geld. Und es sich leisten können. Zum Beispiel der Bernd. Der hat einen Hausmeisterservice. „Die andern arbeiten, ich kassier“, so beschreibt er sein Business. Wenn sie nix sehen für ihr Geld, werden die Herren sauer. Und nörgeln. Ich war ja wieder bei den Jungs in diesem Block, die mich letztes Mal versucht haben abzufüllen. Beim 0:1 für Dresden war noch keiner von denen da. Tja, blöd gelaufen: Tor verpasst fürs Geld. Kurz vor dem 0:2 waren wir dann vollzählig, und ich hatte schon wieder drei Bier intus. Weil es aber wenig zu sehen gab fürs Geld, haben wir uns bisschen unterhalten. Kam daher, dass ich sagte, wir Engländer hätten zu Dresden ein ganz besonderes Verhältnis. Mein Grandad war da. Mitte 1945. Also in den Resten von Dresden…

Aber dann mussten die Alliierten Dresden und den Rest den Russen geben. Und die Kommunisten haben die Stadt wieder halbwegs aufgebaut. Weil die aber nicht nur Städte wiederaufgebaut, sondern auch den alten Nazi-Mist rausgefegt haben, gab’s die alten Fußballvereine erstmal nicht mehr. Da haben sie dann 1953 die SG Dynamo Dresden gegründet. „Ich mag die nicht,“ sagte Ingo, „sind doch immer noch Stasi. „Blödsinn,“ bellte Peter, „alles Scheißnazis da.“ Von wegen Pegida und so. So bildet sich jeder seine Meinung. Mir eigentlich egal. Wenn ich Spiele von denen sehe, freue ich mich immer, dass die Fans ihre Jungs so doll anfeuern. Da sagt doch der Matthes: „Der einzige Ossi-Verein, den man mögen kann, ist Aue.“ Und da fiel dann das Wort „Fan-Freundschaft“.

Keine Gnade mit den anderen

Ich musste grinsen. Fan-Freundschaft kannten wir nicht in den wilden Neunzigern. Wir waren mit keinen Fans anderer Clubs befreundet. Wir waren ja nicht mal mit allen anderen Fans von Leeds United befreundet. Die Firms der anderen Clubs waren für uns wie Nazi-Deutschland: die musste man besiegen und ausradieren. Je klarer das allen Hools wurde, umso weniger Regeln galten noch. Fairness? Scheiß was drauf. Ja, es gab wohl irgendwelche Hippies bei so Vereinen wie den Boros oder den Latics (die wir immer nur „Lettuce“ nannten), die pflegten vermutlich Fan-Freundschaften mit anderen Hippie-Clubs, aber wir doch nicht…
Und dann lernte ich irgendwann, dass es in Deutschland Fan-Freundschaften mit Tradition gibt. Mit Tradition! Wie die zwischen Scheiße 05 und Nürnberg. Ey, was machen die denn, wenn sie gegeneinander antreten? Küsschen, Küsschen? Oder vergessen die dann die ganze Freundschaftskacke mal für 90 Minuten?

Fußball ist ein Kampfsport, da geht’s ums Gewinnen oder Verlieren. Im Rahmen von Regeln und auf der Basis von Fairness. Klar kann man mit den Fans eines anderen Vereins mal ein Bier trinken oder so, aber mehr finde ich pervers. Das fanden nun Bernd, Ingo, Matthes und Peter pervers. Dann mischte sich einer ein, den ich noch nicht kannte und den sie Öppes nannten. Der kannte die ganzen Fan-Freundschaften in Deutschland auswendig. Also zum Beispiel zwischen dem Äff-Zeh und Sanktpauli. Man brachte mir Bier, damit ich mit dem Kopfschütteln aufhörte. Aber das Thema breitete sich aus im Block 3 – während unten gerade die erste Halbzeit zu Ende ging. Einer, der sich nicht vorstellte, sagte, die dollste Fan-Freundschaft hier wäre die zwischen Fortuna Düsseldorf und Ipswich Town.

Internationale Beziehungen

Da würden jedes Jahr im Winter über 100 F95-Fans rüberfahren und Fans vom ITFC besuchen. Außerdem kämen ganz oft Ipswich-Leute rüber, um Fortuna zu supporten. Da fing ich dann doch an nachzudenken. Mir persönlich war noch nie irgendein Club in England auch nur einen Hauch sympathisch, aber doch schon Vereine in anderen Ländern. Feijenoord Rotterdam, zum Beispiel. Oder AJ Auxerre in Frog-Country. Der SSC Neapel wegen Maradonna. Sowas in der Art… Wobei wir ja die besten Matches gegen Lads von Clubs aus anderen Ländern hatten. Also speziell wir von den Whites. Gerade gegen Itaker. Aber das steht auf einem anderen Blatt der Geschichte…

Aber nach dem 0:3 fragte ich die Jungs um mich herum einfach mal, ob sie denn sagen könnten, welche deutschen Clubs ihnen sympathisch der unsympathisch sind. Ui, da wurde aber wild diskutiert, ja, gestritten. Weil sich Ingo und Peter fast an die Köppe kriegten, ging ich erstmal Bier holen für alle. Da hatten sie sich schon beruhigt. Ich fass mal zusammen: Elf von elf finden Cologne Scheiße, zehn von elf Gladbach. Neun von elf sind gegen den FC Bayern und Leverkusen. Zwölf von elf verabscheuen RB. Die Älteren gaben an, Wuppertal und den RWE zu hassen. Ansonsten verteilte sich die Abneigung ziemlich gleichmäßig.

Nazis gegen Linke

Bei den Sympathien wurde es dann schwierig. Wieder kam es fast zu Kloppereien. Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Der Peter ist mehr so ein Linker und wohl auch aktiv gegen das ganze neue Nazi-Gesocks. Ingo kommt dagegen aus der DDR, genauer gesagt aus Rostock. Als Peter das Wort „Sanktpauli“ noch nicht ganz ausgesprochen hatte, sprang Ingo schon auf und startete eine Hasstirade. „Aber ihr seid doch beide Fortuna-Fans“, versuchte ich zu schlichten. Irgendwann beruhigten die sich auch wieder.

Nach dem Spiel traf ich Peter beim Schumacher wieder. Da erzählte er mir von einer Fan-Freundschaft, die fast die ganze Fortuna-Supporter-Szene in die Luft gesprengt hätte. Vor Jahren wären mal einige Hools von der Düsseldorfer Bushwhacker-Crew in Madrid gewesen und von Fans von Atletico eingeladen worden, weil einer von BWD Drähte nach Spanien hat. Das wären Leute von der Frente gewesen, einer Art Holding von ganz vielen Fanclubs, aber auch Firms. Die Frente hat einen Scheißruf, weil es darunter auch eine Menge Faschos gibt. Jedenfalls entstand aus dem Besuch eine Freundschaft zwischen BWD und Frente. Das kriegten linke Fortuna-Fans mit, und dann war das Geschrei groß, weil es hieß: Wenn die Bushwhackers mit der Frente befreundet sind, wo es Nazis gibt, sind die Bushwhackers selbst Nazis. An dieser Geschichte, sagte der Peter, hab ich gelernt, dass es Fan-Freundschaften zwischen den Anhängern zweier Vereine nicht gibt, sondern nur Freundschaften zwischen Leute von verschiedene Clubs oder höchstens einzelnen Gruppen.

Darauf stießen wir mit Killepitsch an. Auf die Fan-Freundschaft zwischen Peter und Nick.

2 Kommentare

  1. Der/die/das Maskottchen am

    Das ist ja schon fast ne romantische Geschichte, aber eine die voll Wahrheit ist. Fanfreundschaften gibt es nicht. Auch wenn 1000 Fortunen nach Ipswichtown fahren, meine Freunde such ich mir selbst aus.

  2. Wunderbare Artikel. In der Tat gibt es Unterschiede was Fanfreundschaften anbelangt zwischen England und dem Kontinent. Eine ‚Achse des Bösen‘ , wie eine Freundschaft zwischen Anhängern von vier Clubs aus Deutschland und der Schweiz besteht, ist in England undenkbar. Wobei manchmal doch ein Konsens gefunden wird, wenn bei einem Spiel ohne Ausnahme Heim und Gästefans aufstehen bei ’stand up if you hate manu‘ angestimmt wird.