In letzter Zeit führen Fortuna-Fans gern Tabellen vor, in denen der Marktwert des aktuellen Kaders dem der „großen“ Clubs gegenübergestellt wird. Dies mit einigem Stolz, denn während der FC Bayern München in dieser Bewertung mit gut 750 Millionen Euro an der Spitze steht, stehen bei F95 in der Erstligasaison kaum mehr als 51 Millionen zu Buche. Das soll beweisen, wie viel das Team aus wenig macht. Statt hier mit dem moralischen Zeigefinger zu wedenln, sei nüchtern gesagt: Der sogenannte „Marktwert“ ist nur fiktiv, weil er lediglich das Spekulationspotenzial beim Transfer von Spielern angibt. Man kann ihn mit dem Börsenwert eines Unternehmens vergleichen, der ja nicht den tatsächlichen Wert einer Firma bemisst, sondern nur die Einschätzung der Spekulanten. Was aber regelrecht erschütternd ist, ist die Tatsache, dass sich Freunde des getretenen Balles die widerliche Logik des Soccer-Entertainment-Business zu eigen machen und darüber vergessen, dass wir es auch bei Berufskickern in erster Linie mit Menschen zu tun haben.
Diese durch und durch neokapitalistische Logik macht diese Menschen zur Ware. Schon vor langer Zeit ist aus diesem Ansatz das Prinzip vieler Sportsimulationen entstanden, bei denen die Zocker sich aus dem Pool der verfügbaren Spielfiguren entlang des verfügbaren Budgets einen Kader zusammenkaufen und dann in virtuellen Partien gegen andere antreten. Die modernen Soccer-Games gehen darüber natürlich weit hinaus, weil nur geschicktes Agieren am Controller das Potential der zusammengekauften Truppe in Siege umsetzt. Immerhin. Leider hat es sich in der Mehrheit der Fan-Gehirne gefressen, dass das echte Spiel da draußen auf dem Rasen in Stadien von richtig real lebenden Menschen betrieben wird. Jeder von denen hat zunächst einmal seinen Wert als einzigartiges Individuum; das sollte klar sein.
Spieler werden gar nicht „gekauft“
Und betriebswirtschaftlich betrachtet kauft ja ein Verein (wenn es denn überhaupt einer ist und keine Kapitalgesellschaft wie die Mehrheit aller Teams im europäischen Fußball) einen Spieler ja auch nicht – er verpflichtet einen Kicker und macht ihn auf Vertragsbasis zum fußballspielenden Angestellten des Clubs. Der sogenannten Marktwert entsteht bei Licht betrachtet nur aus dem dringenden Wunsch der für den Sport Verantwortlichen Mitarbeiter eines Teams, einen ganz bestimmten Spieler im eigenen Kader sehen zu wollen. Wer partout anstrebt, CR7 in der Mannschaft zu haben, der muss dem Verein ein Angebot machen, dass der nicht ablehnen kann. Gezahlt wird – auf die eine oder andere Weise, denn nicht immer fließt beim Transfer tatsächlich Geld – also quasi eine Strafgebühr dafür, dass der Wunschkicker von einem Club zum anderen wechselt.
Wenn der Club im Beispiel nicht möchte, dass CR7 wechselt, setzt er die geforderte sogenannte „Ablösesumme“ so hoch an, dass der gute Cristiano bleibt oder aber, dass der sogenannte „Transfererlös“ hoch genug ist, sich ein paar andere Ausnahmespieler leisten zu können. Dem Kicker selbst kann sein Marktwert deshalb auch schnurz sein, denn sein wirtschaftliches Interesse besteht darin, möglichst hohe Bezüge (gern auch an der Steuer vorbei) für seine Rasenarbeit einzufahren. Nun ist es aber auch so, dass der Spieler einem Wechsel in der Regel nur zustimmt, wenn auch für ihn die Kohle stimmt. Die übrigens bei den großen Kalibern schon lange nicht mehr nur aus einem Gehalt bzw. Honorar besteht, sondern aus verschiedenen Formen der Beteiligung an den Vereinseinnahmen.
Begehrlichkeiten wecken
Im bezahlten Fußball schließen die Teams mit den Kickern Zeitverträge ab. Man sagt ja auch, XY „hat noch Vertrag“ bis 2021. Will jemand diesen Kicker trotzdem holen, muss er dem Verein, in dessen Diensten der Spieler steht, eben eine Strafgebühr (Ablöse) für die vorzeitige Auflösung des Vertrags zahlen. Ist aber ein Vertrag regulär ausgelaufen, sagt man, XY könne ablösefrei wechseln. Nun ist es an seinem Management, ihn auf dem Menschenmarkt des Fußballs anzubieten und bestmögliche Konditionen für ihn herauszuschlagen. Das tun die Schlitzohren, die die Interessen von Spielern vertreten, aber inzwischen auch schon während ihr Schützling noch irgendwo unter Vertrag ist. Hat der Manager in dieser Situation ein passendes Team gefunden, versucht er, den Club, bei dem der Vertrag läuft, dazu zu bringen, den Mann dahin wechseln zu lassen, wo er hinwill (in der Regel, weil er dort ein paar Mark mehr machen kann). Lehnt der aktuelle Arbeitgeber das ab, versuchen die betreffenden Kicker seit einiger Zeit, ihren Wechsel mit allerlei Spielchen zu erzwingen.
Und dann sind da noch die Leihgeschäfte. Weil die überwiegende Mehrheit aller Spielbetriebsorganisationen heutzutage Kapitalzuwachs durch steigende Marktwerte ihrer Kicker zu erzielen, kaufen sie gern Spieler günstig ein in der Hoffnung, diese könnten die Begehrlichkeiten anderer Clubs wecken, die dann bereit sind, eine höhere Ablösesumme zu zahlen als man selbst aufgewendet hat. Würde es sich nicht um balltretetende Menschen handeln, würde jedermann dies Spekulation nennen. Hat man aber den Kader nach diesem Prinzip aufgeblasen, trifft es auch immer vielversprechende Spieler, die nur auf der Bank hocken oder selten oder gar nicht im Kader stehen. Nun besteht die einzige Möglichkeit, den Marktwert eines Kadermitgliedes zu steigern, darin, ihn im laufenden Spielbetrieb zu präsentieren – um so die beschriebenen Begehrlichkeiten zu wecken.
Also geht man hin und verleiht einen solchen Mann an einen anderen Verein, bei dem die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher ist, dass er ein Können auf dem Rasen beweisen kann. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet ergibt sich in der Regel für beide am Geschäft beteiligten Soccer-Unternehmen das, was alerte Manager eine „Win-Win-Situation“ nennen. Der verleihende Club bleibt „Eigentümer“ und kassiert Leihgebühren, der leihende Verein bekommt einen Kicker, ohne eine Ablösesumme zu zahlen.
Wetten auf den steigenden Wert einer Aktie
Über alles betrachtet vollzieht sich das Spiel um den Marktwert ganz ähnlich wie beim Aktiengeschäft. An der Börse labert man gern von der Kursphantasie, also den Zukunftsaussichten eines Papiers basierend auf dem, was das notierte Unternehmen so tut und für wie erfolgversprechend im Sinne von Profiten man das hält. Früh die Aktie eines jungen Unternehmens zu kaufen, ist im Wesentlichen die Wette darauf, dass aus dem Laden was wird. So geht es seit einigen Jahren auch beim Fußball und ganz besonders mit sehr jungen Spielern. Da rufen Ausbildungsvereine schon für 13- oder 14-Jährige 5, 10, 20 oder mehr Millionen Ablösegelder auf, und kapitalkräftige Soccer-Companies investieren die geforderten Beträge in der Hoffnung, nach ein paar Jahren eben 30, 40 oder gar 100 Millionen Ablöse fordern zu können.
Befeuert wird dieses unwürdige Börsenspiel rund um den Profifußball vor allem von den Sportmanagementgesellschaften. Früher waren es vor allem Ex-Profis, die als Berater ihr Wissen an junge Kicker weitergaben, diese in jeder Hinsicht betreuten und auf die Härten des Geschäfts vorbereiteten. Heute sind Berater Firmen – oft selbst auch Kapitalgesellschaften, teilweise sogar an der Börse oder außerbörslich notiert – die den Menschenhandel mit Fußballern betreiben. Dies mit dem Ziel, die Profite für ihre Company zu maximieren. Das Honorar, das sie von ihren Schützlingen kassieren, macht nur noch einen winzigen Teil der Einnahmen aus – sie erwirtschaften ihre teils enormen Gewinne vor allem durch Provisionen auf gezahlte Ablösesummen.
Hört auf mit den Marktwert-Tabellen!
Wer bis hierher durchgehalten hat, wird feststellen: Der Spieler als fußballspielender Mensch kommt so gut wie gar nicht vor. Schon gar nicht mit seinem Talent und seiner Leistung auf dem Platz. Deshalb belegt nicht diese abgefuckte Tabelle der Marktwerte, was die Fortuna in der Saison 2018/19 mit ihren Spielern, Trainer, Betreuer und all den Menschen, die beteiligt sind, wirklich leistet, sondern jedes einzelne Spiel, bei dem der grandiose Teamgeist, die phantastische Kooperation, der Wille zu bestehen und all diese wunderbaren Werte, die den FußballSPORT ausmachen, zu Siegen (oder manchmal auch bloß Unentschieden) gegen Mannschaften führen, die aus einem Haufen wild zusammengekauften Talents bestehen. Deshalb sollten wir Freunde des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 e.V. auf den blöden Schwanzvergleich mit den Marktwerten einfach verzichten.