Rezept · Dass die Familie in meinen Kindertagen an Wochenenden außergewöhnlich oft auswärts zum Essen ging, habe ich bestimmt schon mehrfach erwähnt. Es lag daran, dass mein Vater Architekt in Festanstellung der Hirschbrauerei und in dieser Eigenschaft mit vielen Gastronomen – vor allem in Düsseldorf und Umgebung – befreundet war. Und die luden den Martin und seine Familie eben gern zum Essen ein. So kamen wir in den Genuss deutscher und internationaler Küche. An manche in den Fünfziger- und Sechzigerjahren angesagte Gerichte erinnere ich mich besonders intensiv, weil ich sie als Sechs- bis Vierzehnjähriger besonders gern bestellte. Eines davon heißt: „Königinnenpastete gefüllt mir Ragout fin“. Das gab’s aber nicht nur in der Gastwirtschaft mit leicht gehobener Küche, sondern in bürgerlichen Haushalten jener Zeit auch zu besonderen Anlässen; in dem Fall kam das Ragout eben aus der Dose. Die Pasteten gab und gibt’s im Zellophanpack – meist Blätterteig der geschmacklosen, aber fettigen Sorte. Wie ich versuche, viele dieser Erinnerungsgerichte mal frisch und möglichst ohne Convenience-Produkte nachzukochen, so auch dieses. Kannst du auch, ist nicht schwer… [Lesezeit ca. 6 min]

Wobei es völliger Unsinn ist, Blätterteig selbst herstellen zu wollen. Das geht zwar, ist aber ein Ganztagsjob … mit ungewissem Ausgang. Schon seit einiger Zeit greife ich lieber auf die Produkte von Moin zurück. Die haben gleich vier tolle Tiefkühl-Bio-Blätterteig-Varianten im Angebot, eine davon sogar vegan. Alle Sorten sind lecker, für Blätterteigteilchen und -taschen eignet sich das Produkt „Bio Vollkorn Blätterteig“ am besten. Davon bekommt man sechs quadratische Platten (à 50 g) für um die 2,60 Euro im (Super)-Biomarkt des Vertrauens; das ist in etwa die Menge, die zwei Personen für ein Blätterteig-Gericht brauchen. Um aber klassische Königinnenpasteten daraus zu basteln, muss man schon höhere Modellbau-Weihen erlangt haben. Außerdem gibt es beim Versuch, aus einem runden Boden, drei oder vier Ringen und einem Deckel den Klassiker nachzubauen, jede Menge Verschnitt. Da hatte ich die Idee, auf das Original zu verzichten und stattdessen sechs TK-„Cupcakes“ zu backen, um sie später mit dem Ragout zu befüllen. Und das geht mit einem Muffin-Backblech supereinfach.

Den Backofen hast du auf 190° Umluft vorgeheizt. Du legst die TK-Blätterteigplatten für etwa 10 Minuten nebeneinander aus, damit sie leicht auftauen. Dann drückst du je eine Platte in je eine Mulde des Backblechs – je nach Größe der Muffin-Form möglichst ohne dass sich die Ränder von zwei zukünftigen „Cupcakes“ überlappen. Ist das nicht möglich, biegst du die Ränder hoch. Nun befüllst du jedes Blätterteigförmchen mit so viel getrockneten Erbsen(!) wie reinpassen. Man nennt das Verfahren „Blindbacken„. Es sorgt dafür, dass beim Backen der gewünschte Hohlraum erhalten bleibt. So backst du die Mogelpastetchen für ungefähr 15 bis 20 Minuten. Und zwar fängst du damit an, wenn das Ragout fin schon fertig ist, denn das kannst du leichter, besser und länger warmhalten als die Blätterteigförmchen.

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Das Fleisch und der Fond
Kommen wir zum Ragout, das fester Bestandteil der „feinen Küche“ ist, wie sie unter anderem im legendären „Grossen Pauli“ dokumentiert ist, dem Kochbuch, anhand dessen in der Schweiz immer noch Hotel- und Restaurantköche ausgebildet werden. Ich nutze dieses furztrockene Kochbuch, das ganz ohne Bilder auskommt und pro Rezept selten mehr als eine Viertelbuchseite nutzt, immer als Referenz, koche die Rezepte dort aber so gut wie nie nach. Im konkreten Fall, weil ich ein reines Kalbsragout fertigen, also auf Huhn und Zunge, die eigentlich ins Ragout fin gehören, verzichten wollte. Und dann kochst du nach dem Muster eines klassischen Hühnerfrikassees.

Du brauchst für vier Personen ein Stück Kalbsbrust von etwa 600 g Gewicht – am besten am Knochen, dann wiegt es eher 800 bis 1.000 g. Kalbsbrust bieten nur gute Metzger an, also auch die türkischen Metzger, die sich auf Kalbsfleisch spezialisiert haben. Die Brust ist eines der preiswertesten Stücke vom Kuhkind, weil es eben am Knochen hängt sowie viel Fett und Bindegewebe mit sich bringt. Tatsächlich wirst du von 600 g Ausgangsmaterial nur rund 300 bis 400 g Fleisch ins Ragout tun; der Rest dient dem Geschmack des Fonds und damit der Sosse. Wenn du keinen eigenen Kalbsfond vorrätig hast oder ziehen willst (was ich auch nur selten tue), brauchts du etwa einen halben Liter fertigen Fond, wie ihn die Metzger ebenfalls anbieten oder Hersteller von Gourmet-Produkten über den Supermarkt anbieten. Der „GutBio Kalbsfond“, den es im 390-ml-Glas oft bei Aldi für gerade mal 1,80 Euro gibt, wird allgemein empfohlen. Davon solltest du dann gleich zwei Gläser kaufen. Ich nehme den meiner Stammmetzgerei Schlösser, bei dem 500 ml 4,50 kosten.

Das Ragout
In das Ragout kommen neben dem Kalbfleisch noch kleine Champignons (kauf davon ungefähr 500 bis 600 g) und TK-Erbsen (250 g). Basis wird eine Mehlschwitze und der Fond sowie 100 ml Schlagsahne. Klassisch ist es, das Fleisch nur im Fond zu garen; ich mag es aber aromatischer. Also koche ich im Fond mit: eine dick geschälte und in Scheiben geschnittene Möhre, eine mittlere geschälte und halbierte Zwiebel, drei Lorbeerblätter sowie je drei Pimentkörner, ein paar Wacholderbeeren und eine Gewürznelke. Da der Fertigfond gesalzen ist, muss kein Salz beigefügt werden. Wasch die Kalbsbrust unter fließend Wasser, gib sie in einen Topf und gieß so viel Fonds an, dass das Stück so eben bedeckt ist. Je nach der Form reicht Fonds zum Bedecken nicht aus; dann füllst du mit Wasser auf. Gib die Gewürze zu und lass das Fleisch im Sud nun eine Stunde leicht simmern. Dann ist es gar. Hol es heraus uns lass es so um die 20 Minuten abkühlen. Fisch die Möhre aus dem Sud und zerteil die Scheiben in kleine Würfel. Dann gießt du den Fonds durch ein Sieb und kochst ihn auf weniger als die Hälfte ein – was eben 20 bis 30 Minuten dauern wird.

Nach dem Abkühlen löst du das Fleisch vom Knochen (falls ein Knochen dran war) und schneidest alles ab, was nicht schieres Fleisch ist – vor allem alle Fettstücke, Sehnen und sonstige Bindegewebeteile. Schneide das Fleisch in sehr kleine Würfel mit weniger als einem Zentimeter Kantenlänge. Reibe die kleinen Champignons ab und zerlege sie in Viertel oder Hälften, die ähnlich groß sein sollten wie die Fleischwürfel. Jetzt geht’s an die Sosse, die auf einer Mehlschwitze basiert. Nimm eine ausreichend große Sauteuse oder Kasserolle und lass darin eine Nuss Butter (in der Größe, die entsteht, wenn du ein Stück Butter mit dem Esslöffel aus dem Block schälst – quasi „ein gehäufter Esslöffel“…) schmelzen ohne zu bräunen. Röste einen leicht gehäuften Esslöffel Weizenmehl (Standardtype 405 – Vollkornmehl eignet sich hier nicht) in der leicht schäumenden Butter an, in dem du es ständig mit einem Kochlöffel bewegst. Nimm einen Schneebesen zur Hand, erhöhe die Temperatur und gieß ungefähr ein Viertel des eingekochten Suds an. Und: Rühren, rühren, rühren, damit keine Klumpen entstehen. Ist die Brühe fast aufgesogen, gib das nächste Drittel Fonds hinein. Und: Rühren, rühren, rühren. Dann den Rest vom Sud dazu. Platte auf volle Hitze drehen und unter ständigem Rühren ungefähr drei bis fünf Minuten durchkochen. Dabei mit dem Schneebesen (oder jetzt wieder dem Kochlöffel) oft über den Topfboden fahren, damit da nichts ansetzt. Das alles ist ein ganze normales Kochverfahren, um aus einer Mehlschwitze und Kochfonds eine gebundene Sosse zu erzeugen. Dreh die Temperatur kleiner (max. Stufe 3) und rühren nun die Sahne ein bis alles homogen ist. Jetzt kommen die Fleischwürfelchen hinein, die etwa drei bis fünf Minuten brauchen, um Temperatur anzunehmen. Gib die Pilzwürfel dazu, die etwa 10 Minuten zum Garen brauchen. Zuletzt lässt du TK-Erbsen in der Sosse auftauen und gibst die Möhrenwürfel bei.

Das Abschmecken und Anrichten
Der ganze Vorgang der Ragout-Herstellung ab dem Zeitpunkt des Butterschmelzens dauert also um die 30 Minuten. Heißt: Wenn die Sahne reinkommt, ist der Termin gekommen, die Blätterteigförmchen im Muffin-Blech in den Ofen zu schieben. So wird alles gleichzeitig fertig. Beim Ragout fin fehlt noch das Abwürzen. Beginne mit drei, vier, fünf Spritzern Zitronensaft. Gib ganz wenig weißen(!) Pfeffer sowie ein wenig frisch geriebener Muskatnuss hinzu. Ist das eingerührt, probierst du um festzustellen, ob und wieviel Salz fehlt. Das hängt ursächlich davon ab, ob und wie stark der gekaufte Kalbsfonds gesalzen war. Selbstgezogener Fonds wird ja nur ganz gering gesalzen, um dem späteren Abschmeckem mehr Raum zu lassen. Abgerundet wird das Ragout fin ZWINGEND mit einigen Spritzern Worcester-Sauce, die ja bei alle hellen Mehlschwitzsossen gern zum Einsatz kommt.

Die Mogelpasteten holst du aus dem Ofen. Nun nimmst du Stück für Stück aus der Form und schüttest die Backerbsen raus. Auf jeden Gästeteller kommen nun zwei Blätterteig-„Cupcakes“. Durch die Wölbung am Boden werden die schräg liegen. In die Öffnung gibst du nun so viel Ragout wie hineinpasst. Sind alle gefüllt, verteilst du den Rest gerecht auf den Tellern. Du kannst die Teller mit ganz wenig Kerbel- oder Petersilienblättchen schmücken – muss aber nicht sein. Als klassischer Vitaminträger gehört stinknormaler Kopfsalat mit einem leicht gesüßten Joghurtsößchen dazu. Und am besten schmeckt ein starker Weißwein dazu – zum Beispiel ein schöner Riesling.

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