Wirklich gewusst? Dass Düsseldorf die Hauptstadt des bergischen Landes ist? Hier die Aufklärung…
Lesestück · Immer wieder schockiert mich, dass Menschen von südlich des Mains Düsseldorf dem Ruhrgebiet zurechnen. Wobei: So falsch ist das nicht, denn unsere schöne Stadt war ab ungefähr 1850 für 120 Jahre eine wahre Metropole der Schwerindustrie; gefehlt haben nur Zechen und Hüttenwerke. Dafür boten wir den Uhrbaronen Platz für ihre Schreibtische. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung aber rechnet Düsseldorf dem Rheinland zu. Und das ist so auch nicht ganz richtig. Warum, das ist eine relativ komplizierte Geschichte. [Lesezeit ca. 5 min]
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Das hat vor allem mit der unscharfen Definition des sogenannten „Bergischen Landes“ zu tun. Im Prinzip ist nur dessen südliches Ende halbwegs genau zu bestimmen, denn es gibt eine seit Alters ger anerkannte Grenze zum Siegerland. Nach Norden wuchert es geologisch weit ins südliche Ruhrgebiet hinein, der Übergang zum Sauerland im Osten ist fließend. Nun kommt’s: Die Hügelkette im Osten Düsseldorfs bildet eine klare Begrenzung der Region, um die es geht. Was bedeutet, dass Ludenberg ganz und Gerresheim etwa zur Hälfte zum bergischen Land gehören – Grafenberg und Aaper Wald sowieso.
Der Begriff „Bergisches Land“ kommt übrigens gar nicht daher, dass es sich um ein solch hügelige Landschaft handelt, sondern weil hier der Kern des Herzogtums Berg über mehr als 800 Jahre existierte. Und das wurde von Adolf I. begründet, der irgendwann im 11. Jahrhundert den Titel eines Grafen tragen durfte:
Ab etwa 1080 nannte sich ein Adolf, der dritte Deutzer Vogt dieses Namens, zuerst mit dem Zusatz „vom Berge“ (latinisiert: „de Monte“). Es existieren zwar auch frühere Urkunden, die das Cognomen „de Monte“ und „de Berge“ aufführen, jedoch bestehen an deren Echtheit bzw. Unverfälschtheit Zweifel. […] Um 1080 wurden in Adolfs Namen Silbermünzen geprägt mit der Aufschrift „ADOLPHUS COMES DE MONTE“, aber erst im Jahr 1101 führte ein Adolf von Berg in einer Urkunde des Kaisers Heinrich IV. den Grafentitel. [Quelle: Wikipedia]
Und dieses Herzogtum (das unter Napoleon von 1806 bis 1813 als „Großherzogtum“ firmierte) grenzte an den Rhein, sodass Düsseldorf historisch schon in seiner Zeit als unbedeutendes Fischerdorf dazuzählte. Bekanntlich „bedankte“ sich Adolf V. von Berg bei den Düsseldorfern für deren Unterstützung in der Schlacht von Worringen. Wie schon mehrfach beschrieben: So dolle kann der Support nicht gewesen sein, denn die Siedlung an den Düsselmündungen bestand damals inklusive der Bauern im Umland aus höchstens 120 Mann, von denen nicht einer irgendeine Art militärische Ausbildung hatte, geschweige denn über Waffen oder Rüstungen verfügte. Und selbst wenn alle Mann in Fühlinger Heide dabei waren, fielen die unter den rund 9.000 Teilnehmern an der Schlacht eher nicht ins Gewicht.
Jedenfalls verlieh dieser Graf Adolf den Düsseldorfern Stadtrechte, machte den Ort zu seiner Residenzstadt, ließ das Schloss (damals noch eher eine Burg) bauen und erhob Düsseldorf zur Hauptstadt des Herzogtums Berg. Das blieb unser Städtchen in verschiedenen Aggregatzuständen von 1288 bis 1813, also etwas über 500 Jahre lang. Wobei Düsseldorf von diesem Status besonders unter Napoleon sehr profitierte. Der hatte das Großherzogtum aus dem alten Herzogtum und ein paar sonstigen Gebieten zu einem Satellitenstaat zusammengeklebt und seinem Rheinbund zugeordnet. Dabei sollte das Gran-Duche als beispielhafter Reformstatt fungieren. Aber der napoleonische Statthalter Joachim Murat bekam wenig auf die Kette. Trotzdem jubelten die paar Tausend Düsseldorf Napoleon, der sich 1808 selbst zum Großherzog ernannt hatte, bei seinem Besucht der Stadt im Jahr 1811 heftig zu.
Der Bevölkerung ging es unter Napoleon zunehmend schlechter, und bald wurden den Leute klar, dass die Jungmänner vor allem als Nachschub für die Grand Armee dient, denn es bestand eine umfassende Wehrpflicht. Die Administration wurde von altgedienten Beamten, die es immer noch mit Preußen hielten, mehr oder weniger sabotiert, und irgendwann revoltierten die Menschen im künstlich geschaffenen Großherzogtum. Langsam leuchtete Napoleon Bonaparte, der wahrlich genug Probleme am Hals hatte, ein, dass er dieses rebellische Ländchen nie in Frankreich würde integrieren können. Seine Vertreter hauten mit dem Inhalt der Staatskasse ab und überließen das Großherzogtum sich selbst. So fiel es nach der Völkerschlacht von Leipzig zurück an Preußen, das aber den alten Status des Herzogtums nicht mehr restauriertem, sondern wie in der ganzen späteren Rheinprovinz alles neu ordneten.
In der Folge war von einem „bergischen Land“ über viele Jahre nicht die Rede; der Begriff taucht erst nach der Wende zum 20. Jahrhundert auf, wurde aber immer nur auf eine Landschaft, nie aber auf eine wie auch immer geartete kulturelle Entität angewendet. Dabei gibt es tatsächlich einen bergischen Menschenschlag, der sich in dem, was heute als bergische „Kulturregion“ verstanden wird, schon seit vielen Generationen hält. Geradezu archetypisch sind dabei gewissen Charaktere im Städtedreieck Solingen-Remscheid-Wuppertal und den Hügeln und Tälern drumherum, aber auch in den „alten“ bergische Städten – insbesondere Mülheim a.d. Ruhr, den südlichen Teilen von Duisburg, Essen und Oberhausen sowie auch in Düsseldorf – findet sich dieser Typus. In männlicher Gestalt kommt er als Grantler und Nörglern mit eckigem Humor vor, der diese Eigenschaften besonders gern als Handwerker auslebt. Ureinwohner der Dörfer, aus denen die chemische Industrie Leverkusen zusammengeschweißt hat, und die Nachbarn aus Opladen und Langenfeld sind typische bergische Kantschädel.
„Ja, aber der Karneval!“ werden Skeptiker einwenden, die an Düsseldorf nichts Bergisches finden. Nun ja, im Vergleich zum rheinischen Fastelovend wie er im hillijen Kölle seit Jahrhunderten zelebriert wird, ist der Düsseldorfer Karneval eine eher neumodische Erscheinung, die bis vor etwa 110 Jahren ungefähr so fröhlich war wie das, was man heute noch in den „echten“ bergischen Städten findet. Erst der Impuls der Künstler, die sich auf venezianische Traditionen bezogen, brachte den festlichen Karneval Düsseldorfs hervor, und mit der Einführung des Rosenmontagszuges orientierten sich die hiesigen Karnevalisten eindeutig an Köln.
Und auch bei der Mundart neigt der Düsseldorfer nördlich der Benrather Sprachgrenze dann doch eher zum niederdeutschen „Maken“ statt zum fränkisch-ripuarischen „Machen“. Letzteres findet sich im Kölschen, während quer durchs Bergische Land die andere Variante herrscht. So ist es auch gut und richtig, dass neuerdings der Bergische HC seine Heimspiele in der Handballbundesliga im Rather Dome austrägt und sich damit der Hauptstadt des Bergischen zugehörig zeigt.