Bericht · Vielleicht wäre das ehemalige Gebäude des Hauptstaatsarchivs an der Ecke Prinz-Georg-/Stockkampstraße viel berühmter, wenn es nicht hinter hohen Mauern und Hecken versteckt läge und von den Bäumen am Graben verdeckt würde. Für uns Kinder in Pempelfort war es in den Sechziger- und Siebzigerjahren einfach irgendein oller Kasten, und wozu ein Staatsarchiv gut ist, davon hatten wir keinen blassen Schimmer. Heute sitzt natürlich eine kreative Agentur drin und rühmt sich der ungewöhnlichen Geschäftsräume, denn ab 1975 residierte dieses wichtige Archiv nicht mehr hier, sondern an der Mauerstraße. [Lesezeit ca. 4 min]
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Was aber macht solch ein Staatsarchiv überhaupt? Es lagert Urkunden und Schriften und dokumentiert damit die Geschichte des Staatsgebildes, für das es eingerichtet wurde. Oder wie es Wikipedia ausdrückt: „Ihnen ist gesetzlich die Aufgabe zugewiesen, die archivwürdigen Unterlagen (Urkunden, Akten, Karten, digitale Daten usw.) der Behörden ihres Zuständigkeitsbereiches (Archivsprengels) nach archivwissenschaftlichen Grundsätzen durch Archivare zu erschließen und dauerhaft aufzubewahren.“ Damit soll die Historie, insbesondere auch die wechselnden Besitzverhältnisse, des Landes festgehalten werden. Denn Staatsarchive sind in der Bundesrepublik Sache der Länder.
Die Geschichte dieses Archivs ist einigermaßen spannend, da es die politischen Wirren ab Mitte des 18. Jahrhunderts nachzeichnet. Entstanden ist es dadurch, dass in der Zeit vor der Französischen Revolution Archivalien diverser Kleinstaaten der Region nach und nach in Düsseldorf gesammelt wurden. Das betraf vor allem die Herzogtümer Jülich und Berg sowie Kleve und Mark, das Kurfürstentum Köln, die Grafschaft Moers und das Herzogtum Geldern, die freien Reichsstädte Aachen und Köln sowie die Reichsabteien (z.B. Essen, Werden, Kornelimünster) und Stifte in der Region. In der Zeit der französischen Besatzung zwischen 1800 und 1805 fanden umfassende Aktenvernichtungen in den Registraturen statt: ca. 75 Prozent der jülich-bergischen Registraturen und ca. 90 Prozent des geldrischen Administrationskollegs sowie große Teile der klevischen Kammer gingen für immer verloren.
Bis 1832 wandern die Bestände stetig hin und her, ab 1819 wurden sie sukzessive in Düsseldorf zusammengetragen. Geleitet wurde das Archiv in dieser Zeit vom Juristen und Bibliothekar Theodor Joseph Lacomblet (nach dem eine Straße in Düsseltal benannt ist), der mit dem Ordnen und Verzeichnen von Klosterbeständen begann und dann die chronologische und systematische Dokumentation aller Urkunden durchführte. Mit dem Beginn des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 entstand dann das Staatsarchiv, das zunächst an der Josephinenstraße residierte und 1901 zur Prinz-Georg-Straße umzog.
Im zweiten Weltkrieg wurden die wertvollen Bestände nach und nach ausgelagert und quer durchs Reich auf angeblich sichere Orte verteilt. Legendär dabei die Geschichte der sogenannten „Kahnakten“, die auf der Main 68 eine Irrfahrt quer durch Deutschland zu überstehen hatten. Ab 1952 kamen die evakuierten Archivalien wieder zurück, und im Verlauf der Fünfzigerjahre wurden weitere Bestände integriert, sodass die Flächen an der Prinz-Georg-Straße bald aus allen Nähten platzten. Nach dem Umzug des Archivs stand das Gebäude kurze Zeit leer, weil es aber noch kein Internet hab, wurde es nicht zum einem „lost place“ und blieb unbeschädigt und sauber.
Architektonisch ist das Hauptstaatsarchiv der Gründerzeit zuzuordnen und stellt ein ziemlich typisches Beispiel für Verwaltungsbauten des Kaiserreichs dar, die neben ihrer eigentlichen Funktion immer auch die Prestigebauten waren, mit denen die Macht der Preußen demonstriert wurde. Nicht untypisch auch, dass hier nicht irgendein freier Architekt wirkte, sondern der Baurat Bongard und der Regierungsbaumeister Kochs für Entwurf und Realisierung verantwortlich zeichneten.
Ungewöhnlich ist allerdings die Kombination aus einem zweigeschossigen Vorderhaus und einem deutlich höheren Gebäude im Hinterhof. Dies ist der Funktion des Archivs geschuldet. Während sich im langgestreckten Bau das Magazin zur Aufbewahrung der Archivstücke befand, gab es vorne einen Benutzersaal sowie diverse Büroräume. Das Vorderhaus ist dreiflügelig, wobei die beiden Außenflügel deutliche Giebel aufweisen. Ausgeführt sind die Gebäude und auch die mächtige Mauer zur Stockkampstraße hin in Backstein, das Schmuckwerk besteht aus Sandstein. Wie immer, wenn in jener Epoche sichtbarer Backstein verwendet wurde, musste dieser besonderen Qualitätsansprüchen genügen; die Steine für das Hauptstaatsarchiv stammten aller Wahrscheinlichkeit nach übrigens aus der großen Ziegelei in Ludenberg unterhalb der Hänge des Gallbergs. Nach der Umwidmung des Hauptstaatsarchiv wurde es in die Düsseldorfer Denkmalliste eingetragen und außen sorgfältig renoviert. Innen wurde es vom neuen Nutzer radikal umgestaltet, um es besser nutzbar zu machen. Das Gute an der Privatisierung ist und war, dass dieses ungewöhnliche Ensemble so nicht nur erhalten, sondern sorgfältig gepflegt wird.