Das F95-Team zeigte, was Spitzenteams ausmacht: gnadenlose Effizienz bei höchster Konzentration.
Analyse · Ja, es war ein Spiel, das dem Tabellenstand der beteiligten Truppen entsprach, also ein über alles betrachtet ausgeglichenes. Aber der KSC musste lernen, dass man immer nur so gut spielen kann, wie es der Gegner zulässt. Und zugelassen haben die Fortunen wenig, und wenn den Feldspielern mal was durchging, dann war da immer noch Florian Kastenmeier, dieser Teufelskerl. Selbst dem ansonsten den Düsseldorfern nicht freundlich gesonnene Sky-Kommentar rutschte es am Ende raus: So tritt eine Spitzenmannschaft auf. [Lesezeit ca. 3 min]
Und wenn dieser schwer erträgliche Sky-Zweitliga-Experte Matuschka nicht so grundsätzlich etwas gegen die Fortuna hätte, hätte er in der Pause nicht davon schwafeln müssen, dass der KSC besser war, aber Pech hatte. Mit Glück oder Pech hatte da weder die Führung der Gäste, noch die Torlosigkeit der Hausherren zu tun. Während sich die Roten glasklare Chancen erarbeiteten, blieb die KSC-Gefahr eher zufällig. Und an der Stelle könnte der Ergebene wieder einmal einen Exkurs über den Wert der Statistik halten. Die besagte nach 45 Minuten nämlich, dass die badischen Blaumänner in allen Belangen besser waren … außer bei den geschossenen Toren.
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Nun weiß ja inzwischen jeder, der sich ein bisschen mit dem aktuellen Fußballsport auskennt, dass überwiegender Ballbesitz kein Positivkriterium mehr ist. Selbst die Anzahl der abgegebenen Torschüsse relativiert sich spätestens bei Partien wieder dieser. Nicht einmal die Passquote lässt in jedem Spiel Rückschlüsse auf die Qualität der einen oder anderen Mannschaft zu. Denn wenn ein Team maximal defensiv antritt und mit Vorliebe hintenrum und quer spielt, dann werden eben massenhaft einfach Pässe produziert, und die Passquote steigt. Da ist vielleicht die Quote der gewonnenen Zweikämpfe am aussagekräftigsten, denn wenn ein Team in dieser Kategorie der anderen deutlich überlegen ist, wird sie die Offensivbemühungen des Gegners damit unterminieren.
Wenden wir uns also den Erfolgsfaktoren zu, die sich nicht quantitativ fassen lassen. Dazu zählt eine nicht wirklich objektiv messbare Fehlerquote. Unsere Jungs haben gestern – im Gegensatz zu etlichen Partien zuvor – erstaunlich wenig Fehler gemacht und einfach oft exakt die richtigen Entscheidungen getroffen. Das macht einen Auftritt souverän. Und ist eine Folge nicht nachlassender Konzentration. Denn, was nützt die bunteste Kreativität und die wildeste Leidenschaft, wenn man dabei schluderig wird? Was man aber gestern feststellen konnte: Eine Fortuna-Mannschaft die konzentriert und fehlerarm antritt, wirkt immer ein bisschen emotionslos.
Ist aber auch egal. Auch dass eine Partie wie die gestrige im Wildparkstadion auf Außenstehende langweilig wirkt – geschenkt. Das beklagen ja höchstens die üblichen Sprechpuppen im Fernsehen, die ihren Zuschauer:innen bekanntlich immer ein „Spektakel“ wünschen. Als sei so ein Punktspiel in einer Liga etwas Ähnliches wie ein Rammstein-Konzert. Nein, die Begegnung der beiden Traditionsmannschaften war einfach ein gutes, wenn auch nicht hochklassiges Fußballspiel. Und ein sehr faires dazu. Das war auch Schiri Heft zu verdanken, der zwar nicht immer ganz richtig lag, aber eine klare, saubere Linie verfolgte. Wobei er im Zweifel übrigens eher zugunsten der Fortunen entschied…
Ein wenig erinnerte die erste Halbzeit an die ersten 45 Minuten beim Pokalspiel in Regensburg am vergangenen Mittwoch. Auch da fielen zwei Tore für Rotweiß sehr früh. Auch da fanden die Hausherren kein Mittel gegen die sichere Defensive der Fortunen. Wohlgemerkt: Da stehen zwei Buben in der Innenverteidigung, die zusammengerechnet 48 Jahre alt sind, wo doch die gängige Lehre lautet, dass bei der IV vor allem Erfahrung zählt. Chris Klarer ist der Organisator der Viererkette, keine Frage, aber er neigt doch dazu, ungestüm und zu robust vorzugehen – dass er irgendwann mal vom Platz fliegt, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit.
Tim Oberdorf ist da eher der solide Arbeiter, der Situationen eigentlich immer richtig einschätzt und entsprechend reagiert. Dem guten Tim hätte wir alle dieses Tor gewünscht, das in der 76. Minute nicht fallen wollte. Im Stile eines Außenstürmers hatte er sich an zwei Gegenspielern vorbei in den Strafraum gedribbelt und vollkommen korrekt abgeschlossen. Allerdings wollte die Kirsche nicht eingelocht werden, sprang vom einen Innenpfosten an den anderen und dann zurück aufs Feld. Das hätte das 3:0 sein müssen!
Ja, meine Güte, was soll man zu diesem Michal Karbownik sagen? Der ist ja praktisch drei Spieler in einem: kompromissloser Außenverteidiger, ideenreicher Mittelfeldmann und hocheffizienter Flankengeber. An beiden Toren war der schmächtige Pole (der den Ergebenen immer ein bisschen an Luka Modric erinnert) beteiligt, und es hätte nur gefehlt, dass er mit sich selbst in seinen Rollen als AV und Flügelstürmer Doppelpass gespielt hätte. Das besonders Schöne an der Sache: Seine Kollegen verstehen seine Ideen.
Dass Michal so viel vorne und so wenig hinten tun musste, lag auch daran, dass Trainer Thioune mit einer Dreierkette spielen ließ. Dreierkette? Wirklich? Auch wenn diese auf dem Platz nicht immer deutlich wurde, tatsächlich hatte er Zimbo Zimmermann in der Vorsprechung eröffnet, dass er als dritter Innenverteidiger auftreten würde. Dies genau um Karbownik mehr Offensivmöglichkeiten zu eröffnen. Wobei die gesamte taktische Grundordnung aber auf große Flexibilität angelegt war, denn in der Realität der KSC-Angriffe waren es dann doch vier und nicht fünf Mann, die den letzten Riegel bildeten. Dafür aber verließ Chris Klarer in Umschaltsituationen seine Position und wurde dann abwechselnd von Cello Sobottka (der wieder ein tolles Spiel lieferte) oder Ao Tanaka abgelöst.
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Gestern bester Karbownik-Versteher war Kris Peterson, der beide Buden besorgte. Der Mann, der so lange so sehr außer Form war, dass auf dessen Comeback kaum jemand einen Pfifferling gesetzt hätte. Nun hat er sich unter der Woche sehr positiv über die Unterstützung durch Mentaltrainer Axel Zehle geäußert. Er hätte erwähnen sollen, in welchem Maße auch das Festhalten an ihm durch Trainer Thioune und die anderen Coaches festigend gewirkt haben. Einen Vorschein bekamen wir ja schon beim Pokalspiel in Offenbach präsentiert. Auch in Regensburg machte er eine Hütte, und gestern gleich zwei davon.
Okay, ein bisschen Wasser in den Wein: Über weite Strecken war Kris aber wieder einer der Kicker auf der Wiese, die nicht so richtig wussten, was sie tun sollten. Er stand oft falsch, er verlangsamte manchmal das Spiel, und seine Passquote war auch nicht so besonders. Mag daran gelegen haben, dass ihn Thioune auf die ungewohnte rechte Seite vor Zimbo Zimmermann beordert hatte. Da hätte nach dem Ausfall von Felix Klaus sonst Emma Iyoha spielen müssen, aber der war ja als zweite Spitze dienstverpflichtet.
Und weil die Personalsituation so ist wie sie ist, gab es eben nur nominell einen Mann auf der linken Schiene, nämlich den guten Michal. Shinta Appelkamp, der laut offizieller Aufstellung den linken Flügel beackern sollte, spielte wieder eine Mischung aus Achter und Zehner und brauchte lange, bis er überhaupt in Erscheinung trat. Ao Tanaka dagegen war überall und nirgends, aber eine nennenswert positive Wirkung auf das Angriffsspiel der Fortuna hatte er nicht. An der Stelle muss aber zwingend hervorgehoben werden, dass sich alle Offensivkerle jederzeit mit Leib und Seele in die Defensive warfen, falls nötig.
Allen voran übrigens Dawid Kownacki, dem zwar keine Bude gelang, der aber die prächtig Vorlage zum 1:0 lieferte. Schussglück hat er momentan nicht, gegen seine versägten direkten Freistöße würde vielleicht mal ein gezielte Schusstraining helfen. Genau wie er war aber auch Emma Iyoha bei jeder Offensivaktion ein für die KSCler kaum fassbarer Unruheherd. Niemand bekam die beiden je in den Griff, der Schlüssel zur Niederlage der Badener war aber ganz klar die Tatsache, dass sie Michal Karbownik viel zu große Freiheiten ließen; kann gut sein, dass sie dessen Fähigkeiten bei den Videoanalysen einfach übersehen hatten.
Spätestens jetzt ist es an der Zeit, auch unserer unwidersprochenen Nummer 1 im Tor, Florian Kastenmeier, ein Loblied zu singen. Und das gepaart mit einem ergebenen Stinkefinger in Richtung derjenigen, die sich über Wochen als Kastenmeier-Hater aufgeführt haben. Dreimal rettete der gute Flo bei höchster Gefahr, zweimal entschärfte er Hundertprozenter. Sein Stellungsspiel ist inzwischen überragend, seine Reaktion war immer schon gut. Was er aber offensichtlich gelernt hat (mit Hilfe vom Mentalcoach???), ist, sein Risiko zu begrenzen. Könnte gut sein, dass die Ära der Kastenmeier-Momente ein für allemal vorbei ist.
Werfen wir einen Blick auf diese völlig verrückte Auswechselbank. Raffa Wolf, die treue Seele, Adam Bodzek, dieser senkrechte Kerl, und Rouwen Hennings, dem wir so viel zu verdanken haben, sind zusammengerechnet 106 Jahre alt. Die eingewechselten Elo Neto, Benjamin Böckle und Marcel Mansfeld kommen in Summe auf gerade einmal 58 Lebensjahre, also knapp die Hälfte. Auch wenn diese Konstellation aus der Not der Verletztensituation geboren ist, könnte sie sich zum übergreifenden Erfolgsfaktor entwickeln – also eine perfekte Mischung aus Erfahrung und Jugendlichkeit. Es kommen ja auf beiden Seiten der Alterspyramide noch weitere Kicker hinzu, und in der mittleren Lage zwischen 24 und 30 haben wir ja auch einige großartige Burschen im Kader.
Es war ja zuletzt zu Recht immer von der mangelnden Konstanz die Rede, denn dass der Kader plus der zugeordneten Nachwuchsspieler einem Spitzenteam würdig ist, daran kann es kaum Zweifel geben. Die Frage war, ist und bleibt, warum genau einige dieser herausragenden Kicker nicht immer oder gar so selten Leistungen, die ihren Fähigkeiten entsprechen, abrufen können. Da kommt auch Euer von Herzen ergebener F95-Beobachter mit einem Bein aufs Feld der Küchenpsychologie; was Kris Peterson berichtet hat, macht ihn in Sachen mentaler Befindlichkeiten doch nachdenklich.
Diese Zweitligasaison scheint ziemlich verrückt zu verlaufen. Okay, dass der HSV am Ende wieder nur Vierter wird, steht so lange fest, wie ein Herr Kühne bei denen mitbacken will. Dass Darmstadt 98 und Kühe-Schweine-Paderborn bis zum Schluss um den Aufstieg mitspielen werden, ist trotz der Punktverluste diese Woche auch klar. Anwärter auf den Relegationsplatz dürften neben den Genannten also Heidenheim, Hanoi und … ja, genau, doch unsere rotweiße und höchst launische Diva sein. Zumindest wenn nächste Woche in Kiel der nächste Auswärtsdreier geholt wird.
Ein Kommentar
Dem Ergebenen gebe ich völlig recht, dass Paderborn und Darmstadt bis zum Ende der Saison harte Konkurrenten sein werden.
Nichtsdestotrotz wird deren Einbruch von, sagen wir 2-3 verlorenen Spielen hintereinander irgendwann kommen. Wenn dann ein Sieg der Fortuna in dieser Negativserie steckt oder sie sogar ergänzt, ist auch der direkte Aufstieg drin. So viel zur Konkurrenz – der Blick auf den Gegner darf natürlich nie dazu führen, den Fokus auf eigene Stärken zu verlieren. Wenn die Fortuna nicht am Ball bleibt, wird auch eine längere Schwächephase der Konkurrenz keinerlei Nutzen für unsere große Liebe haben.
Aber wenn es mit dem Aufstieg nichts wird, verbleibt noch die Hoffnung auf den Pokal, der nicht nur dem Ergebenen mehr bedeuten würde als der Aufstieg.