Die glorreiche Fortuna verliert nach guter Leistung durch einen Kieler Glücksschuss in allerletzter Sekunde. Wie es dazu kam…
Analyse · Es gab 99 Möglichkeiten, die Pille in den Kasten zu schieben und eine, das Ding zu versägen. Robert Boženik entschied sich für diese eine Variante. Er hätte einfach sofort schießen sollen. Er hätte sich das Ei nicht auf den anderen Fuß legen sollen. Er hätte in der 20. Minute einfach das Tor für die glorreiche Fortuna schießen müssen. Und euer schwerst Ergebener ist sich sicher: Hätte Boženik die Bude gemacht, die Weißroten wären als Sieger vom nassen Platz in Kiel gegangen. Aber das ist geschichtlich betrachtet auch bloß wieder ein Konjunktiv. [Lesezeit ca. 6 min]
Na, schon gespannt auf den Spielbericht? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn The Düsseldorfer versteckt sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen. Durch ein Fan-Abo oder den Kauf einer einmaligen Lesebeteiligung. Wir würden uns sehr freuen.
Weil im Sprichwort zweimal „hätte“ vorkommt: Hätte Robert Boženik in der 38. Minute frei am Elferpunkt stehend einen platzierten Schuss hinbekommen, hätte es vor der Pause schon 2:0 für die glorreiche Fortuna heißen können, und so wie die Burschen an diesem Sonntag drauf waren, wäre die Gräte vermutlich schon gelutscht gewesen. Ach, eigentlich müssten wir die Phrase zu „Hätte, hätte, hätte…“ erweitern, denn hätte Ao Tanaka in der 93. Minute die Kugel einfach irgendwie weggedroschen, hätte sie ihm ein Kieler nicht abknöpfen und auf den späteren Torschützen weiterleiten können, der dann mit einem feinen Dropkick scorte.
Noch ein „hätte“ gefällig? Okay: Wäre dieser letzte Schuss eine Handbreit höher angekommen, wäre er an die Latte gegangen. Wäre dieser letzte Schuss eine Handbreit tiefer angekommen, hätte Flo Kastenmeier ihn abwehren können. Dann hätte es ein 0:0 gegeben, das sich aus fortunistischer Sicht ein bisschen mager angefühlt hätte, weil die Männer mit dem F95 über dem Herzen insgesamt die bessere Mannschaft im Holstein-Stadion waren. Auf jeden Fall in der ersten Halbzeit. Und am Ende auch in drei von vier relevanten Statistikdaten.
Die zweite Hälfte war ohnehin ausgesprochen zerfahren. Minutenlang droschen und köpften die Spieler die Bälle im Mittelfeld hin und her, Holzbein arbeitete über weite Strecken mit Langholz, Druck konnten beide Teams nicht mehr aufbauen. Das führte zu eklatantem Torschussmangel bei beiden Parteien und so gut wie keinen nennenswerten Chancen. Die Mannschaften neutralisierten, heißt es im Fußballjargon.
Bis zur 74. Minuten taten sich auf Düsseldorfer Seite mehrere Kicker hervor, allen voran Jordy de Wijs, die holländische Kante, der – und das ist selbst bei einem Verteidiger selten – eine vollkommen fehlerfreie Leistung bot. Der trotz allem Ergebene hätte diesen blonden Hünen nie und nimmer ausgewechselt, denn platt war der nicht. Das sah bei Daniel Ginczek eine Viertelstunde vor Schluss schon ein bisschen anders aus.
Womit die lauteste Kritik der emotional angefassten Fans schon festgemacht ist: Der Preu0er hat die Niederlage eingewechselt! Schnaub!!! Hat er nicht, siehe oben. Die Entscheidung Robert Boženik in der 59. von der Wiese zu holen, um Rouwen Hennings zu bringen, hatte ihre Ursache in einer Minderleistung des anfangs einigermaßen unegal flötenden Referees, der dem schnellen Robert schon in der 3. Minute eine Gelbe verpasste. Weil der junge Herr B. aber brennt wie eine Geburtstagskerze, lag immer das Risiko in der Luft, dass er sich noch eine fängt und fliegt. Deshalb.
Leider zeigte sich in der folgenden halben Stunde, dass der gute Rouwen in diesem Kader und bei dieser Systematik kaum mehr als ein Fremdkörper sein kann. Lässt er sich zurückfallen, werden seine fußballerischen Mängel sichtbar. Bleibt er vorn, kriegt er nicht die Bälle, die er braucht, um zu knipsen. Das sah beim Tandem Ginczek und Boženik schon ganz anders aus, weil beide, wenn sie sich zurückfallen lassen, spielerisch die Offensive befeuern können.
Apropos: Das F95-Pressing war über weite Strecken wirkungsvoll, weil intelligent angesetzt. Während Boženik sehr früh anlief, cruisten Ginczek und Shinta Appelkamp eine Linie weiter hinter und verunsicherten die Anspielstationen der Kieler. Weil die Forechecking-Linie zudem vertikal bewegt wurde, konnten die Kieler selten auf gewohnte Weise Angriffe aufbauen. Und wenn sie das Mittelfeld überwanden, verfingen sie sich in der bombenfest stehenden Viererkette.
So unauffällig Andre Hoffmann im Vergleich zu de Wijs agierte, so wirkungsvoll war er, und Nicolas Gavory zeigte über weite Strecken eindrucksvoll, warum er als linker AV nun gesetzt ist. Zimbo Zimmermann brauchte dagegen eine gute halbe Stunde bis er den Zustand einer halbwegs erträglichen Fehlerquote erreichte. Weil ihm Narey als Vordermann fehlte und er mit Felix Klaus am Flügel nicht so gut harmoniert, blieb die rechte Angriffsseite harmlos. Überhaupt hatte sich Trainer Preußer für die Außenläufer, also Klaus und Appelkamp, was einfallen lassen.
Jeweils einer von beiden zog regelmäßig nach innen, um entweder steil auf die Spitzen zu spielen oder selbst abzuziehen. Das war ebenfalls erfreulich zu sehen, dass endlich aus der Ferne geschossen wird, auch wenn immer noch die meisten Schüsse nicht wirklich aufs Tor kommen. Dafür gelangen – vor allem dank Appelkamp – richtig gute Ballstafetten bis in den gegnerischen Sechzehner. Nicht nur die zeigten klar, dass die Fortuna gestern spielerisch die bessere Mannschaft war.
Was nutzt das alles, wenn keine Hütte gemacht wird? Nichts. Hatten die Jungs gegen Bremen NULL Torchancen, gegen Sandhausen kaum mehr und auch im Nürnberg-Spiel eine zu vernachlässigende Menge an Abschlüssen, waren es in Kiel erfreulich viele. Darunter einige, die Fortuna-Kicker der vergangenen fünf Jahre mit schöner Regelmäßigkeit reingemacht hätten. Wie Shintas Ding von außen in der 85. Minuten.
Altgediente Fortuna-Fans kennen dieses Gefühl, dass die Welt ungerecht, dass alles Scheiße ist und man sich fragt, warum in Drei-Fußball-Teufels-Namen man immer noch hintapert und/oder die Ohren spitzt, wenn Rotweiß spielt. Die Antwort ist einfach: Weil so eben die Fortuna ist – wie das Leben selbst. Bedeutet, dass wir, die wir diese Farben im Herzen tragen, jetzt da durch müssen. Und wer nicht mit will, der darf sich einfach einen anderen Verein suchen.
Und wer nach dieser wahrhaft unglücklichen Niederlage ernsthaft die Köpfe von Preußer und Allofs fordert, hat den Knall nicht gehört und verstanden. Denn an den beiden Herren lag es gestern nicht. Ja, verrückt, NIEMAND trug die Schuld – kein Boženik, kein Tanaka, kein Preußer. Es ist einfach blöd gelaufen. Superblöd sogar, maximal blöd. Denn es ist immer blöd, wenn man die Mannschaft, zu der man steht, gut spielt, ja, teilweise überlegen auftritt, und dann den Todestreffer in der allerletzten Sekunde einfängt.
Realistische Optimisten wie der von Herzen ergebene F95-Beobachter sagen sich einfach: Okay, dann eben gegen S04 und Aue. Wo die Fortuna in dieser Saison doch so heimstark ist…
6 Kommentare
Eigentlich wollte ich nichts mehr zum Kommentar kommentieren! Aber was denkt sich der Ergebene eigentlich jede Woche? In 4 Rückrundenspielen nur Niederlagen, kein einziges Tor, aber 6 mal kassiert – schlimmer gehts nicht mehr. Und dass gestern die herausgespielten Torchancen so reichlich gewesen wären, dass der Last-Second-Gegentreffer sowas von ungerecht war – habe ich ein anderes Spiel gesehen?
Und die Lösung? Auf jeden Fall mit Allofs und Preusser weitermachen. Mir fällt dazu nichts mehr ein!
Der Ergebene denkt sich nicht einfach was. Er guckt sich das GANZE Spiel zweimal an und macht sich dabei Notizen. Die dienen als Grundlage für eine Analyse, die dann eben auch zu Schlussfolgerungen führt. Das Ganze auf der Basis ständiger Fortbildung rund um den Fußballsport.
naja, ich finde genau aus dem genannten Grund „der gute Rouwen in diesem Kader und bei dieser Systematik kaum mehr als ein Fremdkörper sein kann.“, kann man die Wechsel, und damit Preußer, durchaus kritisieren. Immerhin gab es noch einen Lobinger auf der Bank. Den dann auch nicht für Ginczek zu bringen, sondern auf den „Fremdköper“ als alleinige Spitze umzustellen – ja, was kann da der Gedanke sein? Das der stattdessen eingewechselte Tao dann auch noch den entzündlichen entscheidenden Fehler macht – geschenkt. Es war aber nun nicht das erste Mal, dass unser Cheftrainer kein glückliches Händchen beim Wechseln hatte, wobei das jeweils eben genau nicht am fehlenden Glück lag. Da kann man schon mal diskutieren, über die Besetzung des Wechselverantwortlichen.
Ob mit oder ohne Preußer, habe gerade meine Karte gegen Schalke gesichert, und bin wie immer vollkommen überzeugt, das wir gewinnen.
Von Thioume bin ich noch weniger überzeugt als ich es damals von Preusser war aber auch für Preusser muss es jetzt eine Erlösung sein wenn er es nicht mehr Woche für Woche um die Ohren kriegt. Die Mannschaft braucht jetzt einfach einen frischen Trainer und Preusser selbst wird das auch gewusst haben.
Lieber Rainer, nur ein kleiner Hinweis: Unser Stürmer heißt Boženík, das ž mit Dach spricht man quasi wie das „j“ im französischen „je“ oder „jour“. Da das ž auf unsere Tastatur nicht vorkommt, ist ein einfaches z voll in Ordnung, allerdings eher kein „dz“ denn mit Adam Bodzek ist er meines Wissens nicht verwand 😛
Ich bewerte das Spiel exakt, wir der Ergebene. Es sah nach Fußball aus, es wurde kombiniert, es wurde gepresst. Überzeugend in der ersten Halbzeit und dann neutralisierte sich die Nummer. Seltener passte der Spruch mit der Kacke und dem Schuh besser. Bei meinen wenigen Kommentaren im sozialen Jedöns habe ich immer wieder gesagt, dass das im Augenblick das Maximum ist, was die Mannschaft im Stande ist zu spielen. Und sie hat ja nun nicht schlecht gespielt, insbesondere durch die beiden Verpflichtungen. Dieses Spiel war das einzige in dieser Saison, bei dem ich nicht einmal Sorge um unsere Abwehr hatte.
Bitte vergesst nicht, dass am Saisonende einige Verträge der Spieler auslaufen, die aktuell im Kader stehen. Und Fortuna wird sich auf die (neuen) wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die dieses s***** Virus mitbringt, einstellen müssen. Das heißt wahrscheinlich vertraglich bedingte Gehaltskürzungen bei entsprechenden Rahmenbedingungen. Wenn die Qualität unserer Einzelspieler tatsächlich gar nicht mal so schlecht ist, werden die Jungs durch ihre Berater auch andere (ausländische) Angebote prüfen. Was ich sagen will ist, dass der eine oder andere gedanklich eben nicht immer bei der Sache ist oder vllt. schon eine „Leck-Arsch-Einstellung“ hat. Ich war immer ein CP-Befürworter, aber vielleicht schafft es ja der Neue durch eine andere Ansprache das Bewusstsein zu schärfen. Dann eben noch das besagte Tor-Glück dazu – mehr als diese beiden Dinge braucht es dann vielleicht schon gar nicht mehr…..