Die Boom-Ära der Lichtspielhäuser begann unmittelbar nach dem Krieg und endete relativ schlagartig zwischen 1968 und 1972. Allein in Düsseldorf wurden zwischen 1948 und 1951 fast drei Dutzend Kinos eröffnet. Das Bedürfnis nach Unterhaltung war groß, die Zahl der Alternativen gering. Wer sich heute über zu wenig „Kultur“ in der schönsten Stadt am Rhein beklagt, wird staunen, dass sich anno 1950 außer dem legendären Apollo-Varieté und dem literarischen Kabarett Kom(m)ödchen sowie Schauspiel- und Opernhaus – jeweils in Notunterkünften mit schmalem Spielplan – kaum Möglichkeiten fanden, einen netten Abend sitzend zu verbringen. Dafür bot beinahe jede Kneipe mit ausreichend Platz am Wochenende Tanzvergnügen an. Überhaupt florierte die Gastronomie in dieser Zeit. Und mancher clevere Gastwirt kam dem Bedürfnis der Leute entgegen und machte aus dem Festsaal ein Lichtspieltheater. Andere Unternehmer (im wahrsten Sinn des Wortes) hielten nach Vorkriegskinos Ausschau, um sie zu reaktivieren. Zum Beispiel der Mönchengladbacher Ernst Krückels, der im März 1948 einen Antrag auf Wiedereröffnung der Kronen-Lichtspiele an der Ecke Ross-/Kleverstraße stellte.
Filmtheater als Treffpunkte in den Stadtteilen
Auf diese oder die andere Art entstanden in (fast) allen Stadtteilen mehr oder weniger große Lichtspieltheater, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die Derendorfer trafen sich am Samstagabend zum Heimatfilm in den Kronen-Lichtspielen, die Unterrather entweder in der Filmburg oder in den Unterrather Lichtspielen – zwei Kino auf der Unterrather Straße, kaum fünf Minuten voneinander entfernt. Die Säle der wiedereröffneten Kinos waren sich ähnlich: vor einer Leinwand in Vorkriegsgröße fanden selten mehr als 200 Zuschauer Platz. Anfang der Fünfzigerjahre gab es so gut wie keinen Wettbewerb zwischen den Häusern, aber irgendwann war der Markt ausgereizt, und die Inhaber mussten sich etwas einfallen lassen.
Die Mutigen unter den Kinounternehmern setzten auf Vergrößerung. Um 1955/56 herum stellten gut 20 Betreiber Anträge auf Ausbau des Kinosaals, meist mit dem gleichzeitigen Anliegen, eine deutlich größere Leinwand einbauen zu dürfen. Andere entschieden sich dagegen für ein zielgruppengerechtes Programm. So auch das Schauspielerehepaar Bernd und Rosina Königsfeld, die 1950 das Kino im Bunker unter dem Carlsplatz übernehmen. Die Kurbelkiste ist das erste Lichtspieltheater der Stadt mit Kulturanspruch. Bald hat es ein Stammpublikum, das für eine gute Auslastung sorgt, und man kann es sich leisten, die großen Filme jener Zeit (z.B. „Der dritte Mann“) nach der Premierenphase zu spielen. Aber ständig ist die Kurbelkiste von Schließung bedroht, die Genehmigungen gelten immer nur für ein halbes oder ganzes Jahr. Der Bunker gehört der Stadt, die ihn aber verfallen lässt.
Kinos in der Altstadt
Und dann der Beginn der zweiten Kinokrise. In der Kurbelkiste laufen ab 1966 fast nur noch sogenannte „Aufklärungsfilme“; heute würde man sagen „Softpornos“. Kurz vor der endgültigen Schließung im Jahr 1968 gilt das ehemalige Kultkino sogar als Teil des damals in der Altstadt noch präsenten Rotlichtmillieu. Die echten Pornokinos – wie das Pam am Bahnhof – haben dem Bunkertheater zudem das Publikum weggenommen. Apropos: Heute existieren mit dem Cinema und der Blackbox im Filmmuseum nur noch zwei Kinos in der Altstadt. Es waren aber für einige Zeit vier Lichtspielhäuser. Das ursprüngliche Cinema lag an der Kasernenstraße 1 und war ein im Dezember 1955 eröffnetes, hochmodernes Kino mit über 350 Plätzen. Zu den „großen“ Lichtspieltheatern der Stadt zählte es nie; schon in den frühen Siebzigerjahren litt es unter Publikumsmangel und verlegte sich auf Trash-Filme á la „Godzilla“. 1979 wurde es geschlossen.
In der Schneider-Wibbel-Gasse hatte der Gastwirt Franz Röder 1957 ein Kino eröffnet – da gab es die erste Kinokrise, und aus den Plänen für ein großes Haus wurde ein Kellerkino unter der Gastwirtschaft „Schneider-Wibbel-Stuben“ namens Bali-Altstadtkino. Nach der Schließung des ursprünglichen Cinemas übernahm Heinz Holzapfel das Lichtspielhaus, nannte es „Neues Cinema“ und machte es zu einem der ersten Programmkinos der Stadt. Gleich um die Ecke vom Cinema gab es nur 13 Jahre lang das Burgtheater an der Grabenstraße. Es war 1949 mit großen Ambitionen als „Haus der Filmkunst“ gestartet, fiel aber schon 1962 der Bauwut einer Bank zum Opfer, die das Haus gnadenlos abriss, um einen 08/15-Geschäftsbau hinzuklotzen.
Die Viertels-Lichtspiele
Zwischen 1948 und etwa 1972 gab es Kinos in den folgenden Stadtteilen (alphabetisch sortiert): Altstadt/Carlstadt, Benrath, Bilk/Friedrichstadt, Derendorf, Düsseltal, Eller, Flingern, Gerresheim, Grafenberg, Holthausen, Lörick, Lohausen, Oberbilk, Oberkassel, Pempelfort, Rath, Reisholz, Stadtmitte, Stockum, Unterrath, Urdenbach, Vennhausen, Wersten. Kein Düsseldorfer hatte es in jener Zeit weiter als zehn Minuten zu Fuß, per Fahrrad oder Bus und Bahn zum nächstgelegenen Filmtheater. Vor den großen Premierenkinos zwischen dem Atrium an der Grafenberger Allee und dem Residenz-Theater an der Graf-Adolf-Straße gab es jeden Donnerstag, wenn die neuen Filme kamen, und samstags Schlangen. Fast alle Lichtspielhäuser boten an Sonntagen Matinee-Vorstellungen und an mehreren Tagen die Woche Spätvorstellungen an.
Gerade die Viertels-Lichtspiele kooperierten bewusst oder unwillkürlich mit der umgebenden Gastronomie, denn zu einem Kinobesuch zählte in den Hochzeiten immer auch das Getränk und Gespräch danach zum Programm. Außerdem ging man ins Kino, wenn einem sonst nichts einfiel. Zum Beispiel ins Ali (Aktualitäten-Lichtspiele), dem Kino im Hauptbahnhof mit ständigem Einlass und Rund-um-die-Uhr-Programm. Tatsächlich liefen dort die Projektoren über viele Jahre 16 Stunden am Tag. Meist bestand das Angebot aus der Wochenschau, zwei, drei lustigen Trickfilmen oder kurzen Streifen mit Dick & Doof oder dem kauzigen Cowboy Fuzzy und zwei richtigen Spielfilm. Das Tolle für uns kinobegeisterten Jugendliche unter 16 Jahre: Eine Alterskontrolle fand de facto nicht statt, und wir konnten uns Streifen anschauen, die eine Altersfreigabe „ab 16“ hatten, denn Ab-18-Filme liefen dort nicht. Außerdem konnte man für kleine Mark dort auch einmal einen langweiligen Sonntag zwischen Mittagessen und Abendbrot dort verbringen.
[Quellen: Viele Details stammen aus dem reichhaltigen Buch „Vom Tanzsaal zum Filmtheater – eine Kinogeschichte Düsseldorfs“ von Sabine Lenk, das allen Interessierten warm ans Herz gelegt sei. Viel Infos findet man im „Kinowiki“ und auf der leider nicht mehr gepflegten Seite „Allekinos„.]
Ein Kommentar
Hab in der Kurbelkiste sehr viel Dick und Doof gesehen. Wunderschöne Zeit!