Die Oststraße ist eine ziemlich alte Straße. Offiziell ist sie Teil der L52, was daraufhin deutet, dass sie zur Zeit der Preußen in Düsseldorf definiert wurde. Sie beginnt am Wehrhahn, einem Teil des uralten Flinger Richtwegs, der wichtigsten Einfallstraße in die Stadt aus Richtung Osten. Das Ende liegt an der Graf-Adolf-Straße, wobei sie früher bis zur Corneliusstraße reichte. Durch die nach dem Krieg geschlagene Schneise, die zur Berliner Allee wurde, änderte sich der Verlauf ein wenig; das Stück jenseits der Graf-Adolf-Straße wurde zur Karl-Rudolf-Straße. Tatsächlich taucht die Oststraße unter diesem Namen erst um 1860 auf den Stadtplänen auf. Aber schon vorher markiert sie den Fernverkehr, der von Norden nach Südwesten an der Stadt vorbeiführt. Und weil ordentlich Verkehr auf dieser Landstraße herrschte, bauten die Franziskaner dort 1853 ein Kloster.
Damit gaben sie der Klosterstraße ihren Namen. Und weil sie Franziskaner sind, kümmerten sie sich immer vordringlich um die Armen. Weil aber das Grundstück mit dem Kloster, der Schlafstätte für Wohnungslose und der in den 1950er-Jahren modernisierten Kirche so wertvoll ist, haben sie es verkauft. Es wird bald abgerissen, und die Brüder suchen derzeit noch nach einem alternativen Standort. Momentan sind sie in den Gebäude der Marienkirche ein paar Häuser untergebracht. Eigentlich heißt sie St. Mariä Empfängnis und wurde 1896 errichtet. Weil sie in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs erheblich beschädigt wurde, baute man sie im Stil der Fünfziger wieder auf.
In den letzten Jahren hat das obere Ende stark unter dem Bau der Wehrhahn-Linie gelitten. Teils war sie dort nur in einer Richtung befahrbar, zeitweise diente sie als Umfahrung. Dadurch haben auch die Geschäfte auf diesem Stück erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Wobei gerade die ersten Häuser eigentlich schon zur Schadowstraße gehören. So hatte man in den Siebzigern an der Ecke ein modernistisches Geschäftshaus mit Ladenzeile errichtet, das nun praktisch abgerissen und neu gebaut wird. Gegenüber sind alle Grundstücke bis zum Kaufhof verkauft; die Läden stehen leer, nach dem Abriss wird dort sicher etwas Großes gebaut.Überhaupt ist die Oststraße in einem stetigen Wandel begriffen. Im Krieg wurden mehr als 80 Prozent der Häuser schwer beschädigt und mussten abgerissen werden. Mit hoher Geschwindigkeit baute man ab 1947 mit heißer Nadel teils scheußliche Neubauten, die inzwischen fast baufällig sind. Einzelne alte Häuser mit der Eleganz der Gründerzeit oder der Zwanzigerjahre sind kaum zu erkennen. Seit etwa 1960 wird aber immer wieder abgerissen und neugebaut – zuletzt an der Ecke zur Immermannstraße, wo ein großes Hotel entstanden ist. Zu den wenigen Konstanten im gesamten Straßenverlauf zählt das legendäre Blumenhaus Fuss, das früher eine Filiale am Ende der Kö hatte und vermutlich die kompetentesten FloristInnen der Stadt beschäftigt. Aber auch die Metzgerei Schlösser und die Parfümerie Förster (gegenüber dem ehemaligen Kaufhof/Horten) sind das, was man alteingesessen nennt. Das gilt aber vor allem für das Stammhaus der Brauerei Ferd. Schumacher, das hier entstand, bevor es überhaupt eine durchgehende Bebauung gab.
Weil aber schon seit den mittleren Sechzigerjahren immer mehr japanische Unternehmen nach Düsseldorf kamen und sich um die Immermannstraße herum ansiedelten, ist die Oststraße auch ein Teil von Little Tokyo. Das Nudelsuppenhaus Na Ni Wa an der Ecke Klosterstraße muss inzwischen auch zu den traditionellen Institutionen der Oststraße gezählt werden und ist so beliebt, das sich mittags an Arbeitstagen lange Warteschlangen bilden. Und wenn von Traditionen die Rede ist, darf auch das Zigarrenhaus Krings an der Ecke zur Bismarckstraße nicht unerwähnt bleiben – auch wenn es nicht das Krings’sche Stammhaus ist, hat es den Charme der alten Zigarrengeschäfte.
Ein Zeugnis der Zeitgeschichte stellt das China-Restaurant „New World“ gegenüber vom Schumacher dar. Hier wurde der RAFler Peter Willy Stoll bei einem Fluchtversuch von der Polizei erschossen. Angeblich hat dort auch das RAF-Mitglied Christian Klar in seiner Düsseldorfer Zeit gern gegessen. Der Häuserblock zwischen der Grupello- und der Stresemannstraße ist sicher der schönste der Oststraße. Es beginnt mit dem eher unscheinbaren Hotel Lindenhof (das inzwischen ein hervorragendes Italo-Restauran hat). Daneben erhebt sich das Savoy-Hotel im alten neuen Glanz; früher wurde es besonders gern von Filmschauspielern gebucht, weil es so schön nah an der Kinomeile lag. Die Ecke bildet schließlich das ehemalige Finanzamt-Mitte, in dem schon seit vielen Jahren wechselnde Banken das Erdgeschoss nutzen.
Die Oststraße ist sicher keine Flaniermeile. Dafür ist der Autoverkehr dort auch viel zu laut und wild. Es gibt zudem keinen Grund, die Straße auf voller Länge abzulaufen. Weil das so ist, hat jeder Düsseldorfer ein völlig anderes, aber kaum einer ein vollständiges Bild dieser alten Landstraße, die heute eine wichtige Ader der Innenstadt darstellt.
2 Kommentare
>>Ein Zeugnis der Zeitgeschichte stellt das China-Restaurant „New World“ gegenüber vom Schumacher dar. Hier wurde der RAFler Peter Willy Stoll bei einem Fluchtversuch von der Polizei erschossen. <<
Nö. Völlig falsch. Ganz woanders.
Stoll wurde im „Shanghai“, Oststraße 156, zwischen dem „Bernstein“ und der Metzgerei Schlösser, also zwischen Bahn- und Stresemannstraße von dem Düsseldorfer Polizeibeamten in Zivil Wolfgang M. nach einem telefonischen Hinweis aus der Bevölkerung beim Essen gestellt und von diesem erschossen, weil Stoll „sofort seine Waffe“ zog“, als M. mit Worten: „Polizei, Hände hoch!“ diesem seine Dienstwaffe vor die Nase hielt.
Vielen Dank – seit Jahrzehnten hatte ich gespeichert, es sei im „New World“ passiert, ohne das je überprüft zu haben; wie man das manchmal so hat, dass man denkt man wüsste…