…ich bin einer von euch!

Meinung · Und wir sind eine bedrohte Spezies. War über Jahrzehnte der Pkw der Feind, der uns nach dem Leben trachtete, sind nun auch die Radfahrer hinter uns her. Nicht dass wir uns missverstehen: Kaum ein Mensch ist NUR Fußgänger, genauso wenig wie jemand NUR Rad- oder Autofahrer ist. Die meisten von uns nehmen das, was irgendwelche Expert:innen „Mobilitäts-Cocktail“ nennen, bewegen sich also per pedes, radelnd, mit Bus & Bahn oder im Kfz. [Lesezeit ca. 2 min]

Verrückt, dass offensichtlich das Verkehrsmittel das Bewusstsein prägt. Als Autofahrer sind wir Einzelkämpfer im Krieg mit allen anderen auf der Fahrbahn. Auf dem Fahrrad fühlen wir uns als bessere Menschen, weil wir die Umwelt schonen. Im ÖPNV sind wir deprimiert, weil es zu teuer ist, zu laut, zu heiß und zu unpünktlich. Und als Fußgänger? Da ähneln wir den Kaninchen, die sich manchmal aus dem Gebüsch wagen, um von A nach B zu kommen: Alle anderen Verkehrsteilnehmer sind die Jagdhunde, die uns kriegen wollen.

Früher, als alles noch früher, aber weder besser noch schöner war, da war der Bürgersteig unser Revier. Da waren wir noch halbwegs sicher, denn die Autofahrer der 50er-, 60er- und auch noch 70er-Jahre respektierten dieses Terrain, fuhren nicht einfach auf den Gehweg, um „mal eben schnell“ dies oder das zu erledigen. Und die wenigen Radfahrer, die freuten sich über jedes Fitzelchen handtuchschmalen Radweges, der ihnen ein wenig Luft auf der Flucht vor den Motormaschinen verschaffte.

Jetzt sind sie es, die hinter uns her sind. Die behelmten Hipster im Anzug, die demonstrativ zum Job radeln, die Blagenradbesitzer:innen, die Stolz ihre Brut vor sich her fahren, die Superschlauen, die Gehwege als Abkürzungen verwenden und gelegentlich auch die Kampfradler in Presswursthüllen, die aber eigentlich lieber den Autoverkehr behindern (Danke dafür!). Sie sind gnadenlos, die Veloisten, sie kennen kein Pardon, und wenn man sich wehrt, wird man beschimpft.

Dabei sind wir Fußgänger doch die wahren Kämpfer gegen den Klimawandel! Für die Herstellung unseres Verkehrsmittels werden kaum Ressourcen verbraucht, für den Betrieb auch nicht. Wir machen keinen Lärm, und die Abnutzung des Pflasters durch unsere Schuhe hält sich in sehr, sehr engen Grenzen. Eigentlich müssten die Politiker:innen, die gegen den Klimawandel kämpfen und daher die Verkehrswende vorantreiben, uns doch von Herzen liebhaben und uns nach Kräften schützen und unterstützen. Aber, nein, meist vergessen sie uns in ihren anrührenden Reden. Und in den Planungen schon gar.

Im Ernst: Anscheinend ist der Mensch als Verkehrsteilnehmer nicht in der Lage, Rücksicht zu nehmen. Deshalb gibt es Regeln. Zweitens: Seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg hat man die Städte immer autogerechter gemacht, dem motorisierten Verkehr immer mehr Raum eingeräumt. Nun aber sollen die Bürger:innen hanz fix aufs Rad und den ÖPNV umsteigen, die dann um den begrenzten Straßenraum konkurrieren. Wollen die zitierten Politiker:innen den individuellen Kraftverkehr aus den Städten raushalten, müssen sie den Autos Platz wegnehmen. Und den Radlern exklusiv geben. Gleichzeitig aber müsste das Befahren von Gehwegen durch Radler genauso hart bestraft werden wie das bei Autos der Fall ist. Es müsste schlicht verboten sein, ohne Ausnahme.

 

4 Kommentare

  1. Danke! Das beschreibt, was ich täglich im Verkehr beobachten kann. Und es beschreibt den Zustand unserer Gesellschaft und auch der Politik. Und es erscheint hoffnungslos, weil Rücksicht und Freundlichkeit aus der „Mode“ gekommen sind. Obwohl das ja eine günstige und wenig aufwendige Art des sozialen Miteinanders ist.

  2. Exakt so!
    Ich bin in den letzten Jahren als Fußgänger öfter durch wild rasende Radfahrer auf dem Bürgersteig in Gefahr gebracht worden, wie als Fußgänger durch Autos. Und auch wenn die Schwere der möglichen Kontakte / Unfälle deutlich unterschiedlich sein dürfte, möchte ich nicht von so einem Kampfradler angefahren werden. Besonders übel wird es, wenn man Zebrastreifen oder Ampelübergänge überquert und dann beim Wechsel von der Fahrbahn auf den Bürgersteig entweder von links oder rechts fast von einem Tour-de-France-Aspiranten über den Haufen gebrettert wird. Bloß nicht mal runter mit dem Tempo!

  3. „Kampfradler in Presswursthüllen“
    sehr treffend formuliert.

  4. Je besser das Angebot an Fahrradstreifen, -wegen und je weniger riskant die Fahrt auf der Straße wahrgenommen wird, desto geringer das Risiko, dass ein Fahrradfahrer Fußgänger behindert oder gar gefährdet. Ich stimme Ihnen zu, dass das Fahren auf Fußwegen generell geahndet werden sollte. Aber wie schlimm das im jeweiligen Fall ist, liegt sicherlich auch im Ermessensbereich des Ordnungsamtmitarbeiters oder Polizisten, der die jeweilige Situation beurteilen kann.

    Umgekehrt gibt es auch einige Stellen, an denen Fußgänger regelmäßig auf Fahrradwegen flanieren oder abhängen (z.B. Rheinufer zwischen Landtag und Fortunabüdchen). Als Fahrradfahrer kennt man diese Stellen und fährt entsprechend vorsichtig oder umfährt sie.