Meinung · Früher war mehr Oi!… sagen manche. Früher war mehr Punk… sagen manche. Früher war mehr Lametta… sagt Opa Hoppenstedt. Früher war mehr früher… sage ich. Jetzt habe ich mir das neue Broilers-Album auf Vinyl und CD angehört und… sie hört sich auf beiden Medien relativ gleich an. Und doch wieder nicht. Denn Vinyl höre ich im Wohnzimmer, CDs in der Küche. Macht einen wesentlichen Unterschied, nämlich, ob ich ein Bier dazu trinke oder einen Espresso. Aber ist ja jetzt auch egal. [Lesezeit ca. 2 min]
Schon eine erstaunliche Entwicklung dieser Band. Als klassische Oi-Streetpunkband gestartet, die ich im Haus der Jugend oder so ähnlich gesehen habe. Auch wenn die Truppe damals noch nicht so meine war, Groove hatten sie eigentlich immer. Und seit der „Vanitas“ sogar recht professionell. Auf der Platte wanderten sie ziemlich erfrischend durch sämtliche Genres… von Punk zu Ska… von Oi zu Soul. Sozusagen das „London calling“ der Broilers. Und das muss man erst einmal schaffen. Schaffen ja nicht einmal die mächtigen FLEISCHWOLF. Und auch The Clash haben es nur einmal hinbekommen.
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Wie auch immer, das ist jetzt 14 Jahre her. Da hatte ich noch weniger graue Haare und habe es geschafft mal eine Nacht zu feiern, ohne am nächsten Tag bleich und halbtot wie Hui Buh mit rasselnden Bronchien durch meine Gemächer zu spuken und mich am eigenen Spiegelbild zu Tode zu erschrecken. Zum Beispiel nach der Party mit der Band im Pitcher zum Vanitas-Album. Üble Sauferei.
Nun also ein neues Album. „Puro Amor“. Allein bei so einem pathetischen Titel verlieren ewige Punker und Stehen- und Sitzenbleiber schon die Nerven und holen irgendwelche Bands oder Musiker raus, die noch „echt“ sind. Früher war mehr Punk und mehr Oi! Ja, stimmt. Diese Platte hat nur wenig davon. Aber genau das finde ich ziemlich gut. Wer ein Album mit einem Song wie „Nicht alles endet irgendwann“ und der herrlichen Zeile „Hey, wir bleiben die, die wir waren, Jugendliche von 40 Jahren“ eröffnet, kann kein schlechter sein. Das ist bessere Selbstironie als dieser blöde Zynismus von Liefers und Co.
Dazu dann die triste Atmosphäre in einer trostlosen Kneipe, morgens um drei Uhr, mit einem Calypsosound zu untermalen („Bitte trink mich dich schön“) ist schon großartig. Dazu dann aufmunternde Lieder wie „keiner wird zurückgelassen“ und „alles wird wieder gut“ machen gute Laune. Textlich ist „Puro Amor“ oft wie der Titel: pathetisch. Aber hey, das waren die Broilers schon immer. Mag man oder mag man nicht. Okay, bei „porca misera“ muss ich weitergehen. Das ist mir zu süß und ich fühle mich dann wie Frau Lohse bei der Verkostung in der Firma Riegel:
„Das ist eine hochwertige Kokosfüllung mit Pistazienschaum als Trägermasse!“ – „Also… da… da war mir so…“ – „Aha. Ich verstehe.“
Ansonsten: Es ist kein neues „Vanitas“-Album, aber so what? Mir macht es richtig Spaß. Und jetzt mache ich mir einen Espresso und höre es nochmal. In der Küche. Mal sehen, ob sich meine Meinung ändert. Aber ich glaube eher nicht. Ines, Donnie: Alles richtig gemacht. Ach ja, früher war mehr Oi!. Wusstet ihr das schon?