Das dachte man damals so: Wenn man kleine Einheiten zu größeren zusammenfasst, wird deren Verwaltung einfacher. Also begann man 1966 in Nordrhein-Westfalen mit einer Gebietsreform, die sich vor allem als kommunale Neugliederung und darin enthaltenen vielen, vielen Eingemeindungen niederschlug. Gerade die größeren Städte des Landes hatten ein massives Interesse daran, sich diese oder jene Nachbarstadt einzuverleiben – teils in der Hoffnung auf mehr Steuereinnahmen, teils um an Flächen für die seinerzeit angesagten Vorstadtghettos zu kommen und teils aus purer Eitelkeit. Letzteres betraf vor allem die Kölner, denen Konrad Adenauer methodisch ein überlebensgroßes Selbstbewusstsein in die Hirne gewaschen hatte. Was zum kölschen Wunsch führte, Millionenstadt zu werden. Um jeden Preis. So wurden die Menschen aus Porz gegen ihren erklärten Willen zu Kölnern – eine rein administrative Tatsache, die sie noch heute methodisch verleugnen. Und wer mal in Porz war, fragt sich, wie in drei Verwaltungsaffennamen, jemand auf die verrückte Idee der Eingemeindung kommen konnte. Der Appetit Düsseldorfs war auch nicht gerade klein.

So sah das Düsseldorf-Gesetz vor, die Landeshauptstadt um Teile von Meerbusch, die Städte Monheim und Angermund sowie der Gemeinden Hasselbeck-Schwarzbach, Hubbelrath und Wittlaer und Teile von Erkrath und Hilden zu vergrößern. Die Pläne, sich nach Art der Kölner auch Neuss, Ratingen, ganz Hilden und ganz Erkrath sowie auch Mettman einzuverleiben, spielten dagegen schon Ende der Sechzigerjahre keine Rolle mehr. Apropos Meerbusch: Das Düsseldorf-Gesetz sah eine Zerschlagung der erst zum 01.01.1970 gegründeten Stadt vor, die ja tatsächlich eine Retortenstadt ist. Der Name leitet sich her von „Meerer Busch“, dem Waldgebiet beim Haus Meer; vor der Stadtgründung gab es zwischen den Hauptgemeinden Büderich, Osterrath und Lank weder einen historischen, noch einen kulturellen oder einen wirtschaftlichen Zusammenhang. Zumal Büderich eindeutig und in jeder Hinsicht zu Düsseldorf neigte, während Osterrath ja schon beinahe Krefeld war.

Wachstumsfantasien

In Angermund, eigentlich über lange Zeit Ratingen eng verbunden, regte sich kein Widerstand gegen die Eingemeindung. Ganz anders dagegen in Monheim. Schon Ende 1972 wurde mit dem Slogan „Monheim muß ungeteilt selbständig bleiben“ eine Bürgerinitiative gegründet, also weit vor der Verabschiedung des Düsseldorf-Gesetzes 1974. Wie in mehr als hundert anderen nordrhein-westfälischen Gemeinden, die ihre Selbstständigkeit verlieren sollten, fürchtete man, den Einfluss auf die eigene Entwicklung zu verlieren und als Vorort Düsseldorfs die dortigen Entscheidungen ertragen zu müssen. Was aus heutiger Sicht nach „gallischem Dorf“ riecht, war aber nur der Versuch, die eigenen Großstadtpläne weiter verfolgen zu können. Tatsächlich hatte der legendäre Monheimer Stadtpolitiker Hugo Goebel schon in den frühen Fünfzigerjahren den Zusammenschluss mit Baumberg und die Annektion Hitdorfs durchgesetzt und massive Expansionspläne auf die Bahn gebracht. Durch den Bau Tausender Wohnungen in riesigen Neubaugebieten wuchs die Einwohnerzahl bis 1970 von knapp 13.000 auf fast 40.000.

Hinter dem dringenden Wunsch, als Stadt selbstständig zu bleiben, standen vor allem starke wirtschaftliche Interessen örtlicher Unternehmer und eben die Goebel’sche Vision, Monheim zur dritten rechtsrheinischen Großstadt neben Düsseldorf und Leverkusen zu machen. Als Jeanne d’Arc der Bürgerinitiative profilierte sich rasch die Lokalpolitikerin Ingeborg Friebe. Als sie 1975 für die SPD in den NRW-Landtag einzog, widmete sie sich mit voller Kraft für die Rücknnahme der Eingemeindung. Und tatsächlich schaffte es Monheim – wie insgesamt nur fünf der über hundert anderen Gemeinden, die sich gegen die Neugliederung gewehrt hatten -, dass der Landesverfassungsgerichtshof in Münster ihrer Klage nachgab und die Eingemeindung zurücknahm. So wurde Monheim am Rhein – so der offizielle Name seitdem – zum 01.06.1976, also vor ziemlich genau 50 Jahren, wieder selbstständig (siehe auch den Düsselquiz vom 23.05.2016).

Historisch mit Düsseldorf verbunden

Dabei gab es in Sachen Monheim jede Menge historischer Gründe, die Stadt Düsseldorf zuzuschlagen. Denn ihre Bedeutung verdankt der Ort im Süden der Landeshauptstadt ebenfalls dem Grafen Adolf von Berg, der dem verschlafenen Nest im Dreieck dreier bedeutender Güter 1275 eine Befestigung spendierte, die als Gegengewicht zur Feste bei Worringen gedacht war. Über die Jahrhunderte erlangte Monheim keine besondere Bedeutung – im Gegensatz zu Hitdorf, das wenigstens einen Hafen hatte. Kulturell gehörte Monheim, das erst von der napoleonischen Verwaltung zur Bprgermeisteri aufgewertet wurde, immer zum Bergischen Land, wie Düsseldorf auch. Und so wie Worringen seit 1922 zu Köln gehört, so gehört Monheim eigentlich auch zu Düsseldorf. Aber das hören die Bürger der Stadt nicht gern…

Nach der wieder erlangten Selbstständigkeit betrieb die SPD-geführte Stadt ihr Wachstum weiter, ohne die ehrgeizigen Ziele alter Pläne je zu erreichen. Nachdem 1999 ein CDU-Bürgermeister gewählt worden war, ging es wirtschaftlich mit Monheim bergab. Beim erneuten Machtwechsel 2009 war die Stadt so gut wie pleite und kam 2010 unter die Kommunale Finanzaufsicht, konnte also den städtischen Haushalt nicht mehr frei gestalten. Das änderte sich durch den bei seiner Wahl erst 27-jährigen Daniel Zimmermann, der eine eigene Jugendpartei namens PETO gegründet hatte, die allerdings nur in Monheim existierte und existiert. Mit nur wenigen, wenn auch drastischen Maßnahmen – unter anderem einer dramatischen Senkung des Gewerbesteuersatzes – gelang es ihm unter Mithilfe der „Altparteien“, die Stadt finanziell gesund zu kriegen. Was bundesweit für großes Aufsehen sorgte.

Heute käme niemand mehr auf die Idee, Monheim zu Düsseldorf einzugemeinden. Denn aus dem Widerstand gegen den Verlust der Selbstständigkeit ist bei den Bewohner ein Lokalpatriotismus gewachsen, den es vorher einfach nicht gab. So war die Gebietsreform also doch für etwas gut…

[Zuerst erschienen in unserem Schwestermagazin „The Düsseldorfer“ im Juni 2016]

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