Die ansonsten glorreiche Fortuna verliert gegen Klopper und Betonmischer – und zwar verdient, weil sie es nicht schaffte, eine Bude zu machen.
Analyse · Eine sehr, sehr alte Fußballweisheit besagt: „Wenn du das Ding nicht reinmachst, kannst du nicht gewinnen.“ Und wenn du dir dann auch noch eine Hütte einfängst, gehst du eben als Loser vom Platz. Ende der Analyse der Partie SVS vs F95. Wer die Fortunesen damit entschuldigen will, dass die Sandhäuser in der letzten halben Stunde beinahe durchgehend mit zehn Personen im Sechzehner rumlungerten, meint es sicher nett. Aber eine Spitzenmannschaft schafft es auch gegen Mauerer, die Pille irgendwie einzulochen. Wie eine Spitzenmannschaft trat die Truppe von Trainer Thioune allerdings nur in den ersten 35 Minuten auf. [Lesezeit ca. 9 min]
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Hart arbeiten müssen haben die Rotweißen in den bisherigen drei Pflichtspielen immer, so auch dieses Mal. Klar aber wurde, dass das Malochen und das Schönspielen nicht zusammenpassen. Dass die Schwarzweißen den F95ern ständig auf die Knochen geben würden, war zu erwarten. Der Versuch, sich aus den Zweikämpfen herauszuspielen, misslang überwiegend. Einzig Chris Klarer hatte das Prinzip kapiert und hielt auch dann dagegen, wenn er nicht auf Balleroberung aus war. Vielleicht haben sich die Buben auch von ihrem eigenen fein anzuschauenden Kombinationsspiel in der ersten Hälfte blenden lassen, denn da waren sie dem Gegner haushoch überlegen – machten aber das Ding nicht rein.
Wenn wir etwas aus dieser Niederlage lernen können, dann, dass die Mannschaft in der aktuellen Konstellation ohne Cello Sobottka nicht funktioniert. Die arme Socke war zwar noch mitgereist, konnte aber wegen Magendarm nicht mitmachen. Damit war das magische Dreieck aus ihm mit Ao Tanaka und Shinta Appelkamp nicht mehr möglich. Da wir ja einen Kuba Piotrowski nicht mehr haben, ließ sich ein Sechser-Achter-Dreieck nicht mehr basteln, und auf den großartigen Ao kam eine Aufgabe zu viel zu. Bezeichnend für den Spagat, den er zu leisten hatte war, dass er in der Schlussphase nicht selten als letzter Mann vor Flo Kastenmeier stand.
Der Ausfall von Tim Oberdorf (grippaler Infekt, also nix mit C…) machte die Sache auch nicht leichter, weil so personell kaum etwas anderes als eine Dreierkette möglich wurde. Wie der Ergebene nun schon zweimal schrieb, kriegt das Team beim Einsatz dieser taktischen Grundordnung eine Unwucht, weil mit Nicolas Gavory und Felix Klaus dann zwei völlig unterschiedliche Spielertypen auf den Flügeln agieren. Daniel Thioune versuchte das durch a) eine merkwürdige Systematik und b) große Flexibilität wettzumachen.
Diese Flexibilität war so verblüffend, dass weder der Kicker, noch Sky oder bundesliga.de es hinbekamen, dafür ein grafisches Bild zu finden. Am ehesten sah es nach 3-1-4-2 aus, ein System, das man in den Lehrbüchern nicht findet und mit 3-5-2 wohl am ehesten richtig beschrieben wird. Und diese 1, die musste nun der hochbegabte, technisch brillante und im Prinzip auch mordskreative Tanaka-san spielen. In der Viererkette vor sich fand er dann außen die erwähnten Herren Gavory und Klaus sowie – das eine spannende Variante – mit enormen Freiheiten ausgestattet Kris Peterson und Shinta Appelkamp. Dass als Doppelspitze neben dem aufgrund seiner Leistung in Offenbach gesetzten Dawid Kownacki unser Rouwen Hennings ran durfte, kam ein bisschen überraschend. Leider trat das ein, was euer Ergebener befürchtet hat, dass Kownacki eben doch als einzige Spitze agierte, während Hennings auf die ihm eigene Art wühlte, aber gar nicht als Mittelstürmer in Erscheinung trat.
Geplant war also, dass Shinta den „Spielmacher“ geben, während Ao im Stil eines Cello das Spiel von hinten aus ordnen sollte. Nicolas hatte die linke Seite auf ganzer Länge zu beackern, während Kris mit Narrenfreiheit ausgerüstet war. Das alles funktionierte so schlecht nicht, weil eine ähnliche Konstellation rechts aber nicht anlag und Felix einen eher gebrauchten Tag aus den Haferflocken gefischt hatte, hing die Sache nach einer Seite über.
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Der Sky-Reporter und einige anderen Berichterstatter meinten vernommen zu haben, Keeper Kastenmeier habe die Aufgabe, die Dreierkette von Fall zu Fall quasi als Libero zu ergänzen. Der Eindruck des Ergebenen war, dass der Flo auch nicht mehr am Spiel mit dem Ball teilnahm als sonst. Er kann sich täuschen, aber inzwischen agiert unser Torwart Nr. 1 ruhiger, überlegter und weniger aufbrausend. Könnte sein, dass wir in der Saison nicht so arg viele Kastenmeier-Momente erleben werden. Auch gestern war er durchgehend auf der Höhe des Geschehens, hatte am Treffer des SVS nichts zu halten und brillierte in der 57. Minute mit einer waschechten Parade.
Jedenfalls funktionierte dieses schräge System selbst in den guten ersten 35 Minuten nicht wirklich perfekt. Und doch hatte man als Liebhaber der wunderschönen Fortuna zur Pause nicht das Gefühl, die Sache könne schiefgehen, sondern war sich halbwegs sicher, ein Ei ins SVS-Gehäuse würde reichen, drei Punkte einzutüten. Pustekuchen! Käpt’n Hoffi führt einen ausgesprochen sinnlosen Anstoß nach rückwärts aus. Auf ihrer linken Seiten holen sich die Sandhäuser den Ball. Dann kommt eine scharfe Flanke etwa drei Meter oberhalb der Grundlinie. Der eine SVSler leitet geschickt mit der Hacke weiter, der andere netzt, ebenfalls per Hacke, ein. Der Treffer geht auf mindestens drei Leute, wobei es nur deswegen zum Tor kommt, weil Jordy de Wijs seinen Gegenspieler nicht im Griff hat.
So gern der Ergebene den Jordy als Typ mag, so kritisch sieht er immer noch dessen real existierende Leistung. Sagen wir so: Bälle aus der Gefahrenzone wegschlagen, das kann er gut. Für den Spielaufbau tut er eher wenig. Aber Unachtsamkeiten wie die vor dem Tor für den SVS leistet er sich dann doch ein wenig zu oft. Andre Hoffmann ist auf jeden Fall sicherer in der eigentlichen Abwehrarbeit und hat auch den Blick nach vorn, ohne sich selbst als Ersatzstürmer zu begreifen. Den – sagen wir mal – modernsten Eindruck unserer Innenverteidiger hinterlässt auf jeden Fall Chris Klarer, der in der zweiten Halbzeit öfter im gegnerischen Sechzehner zu finden war als im eigenen.
Dass es nach der ersten halben Stunde immer weniger rund lief, hat auch etwas mit der Sandhäuser Spezialität zu tun. Nennen wir es „Fouls als spielerisches Mittel“. Wie im Vorbericht erwähnt, setzen die Schwarzweißen illegales Tackling ganz bewusst ein, um den Spielfluss des Gegners zu stören – und um eher weiche Naturen einzuschüchtern. Letzteres funktionierte nicht, dafür sind es vor allem Felix Klaus und auch Dawid Kownacki zu sehr gewohnt, unfair angegangen zu werden. Den guten Dawid traf es wirklich oft, aber der ist ja auch jederzeit bereit, sich in jedes Gefecht hineinzuwerfen.
Dass der junge Pole, von dem wir uns alle wünschen, er möge bei uns bleiben und seinen Vertrag bis dort hinaus verlängern, in der ersten Halbzeit keine Bude machte, hatte auch mit Schusspech zu tun. Er war aber auch der einzige Fortune, dass sich regelmäßig ein Herz fasste und draufhielt. Bei Kris Peterson hat man zu oft das Gefühl, er müsse erst den Strafraum geentert haben, bevor er ans Toreschießen denkt. Eine gigantische Chance hatte Shinta Appelkamp gleich in der 5. Minute, leider warf sich ein Sandhäuser in den feinen Flachschuss aus ungefähr 15 Metern, der wohl gepasst hätte.
Wer weiß, wie’s nach einem solch frühen Tor weitergegangen wäre… Man kann sich sicher sein, dass die Coaches spätestens nach einem 2:0 komplett umgestellt, ja, vielleicht sogar schon ausgewechselt hätten, denn bei aller Überlegenheit, die sich zur Halbzeit in allen statistischen Werten niederschlug, funktionierte das Gefüge nicht wirklich gut. So reagierten Thioune & Co. dann erst ab der 63. Minute auf das vergebliche Bemühen seiner Burschen – und zwar mit vogelwildem Wechseln. Okay, Daniel Ginczek als dritte Spitze reinzuholen, war mutig, aber erwartbar. Nun ging aber Kris Peterson, was natürlich zu einer ziemlich grundlegenden Veränderung der Ordnung führte.
Weil Tanaka und Appelkamp nun auf einer Höhe spielten, wurden die Männer in Rot enorm anfällig für Konter. Zumal bei Standards neben Kastenmeier oft nur Ao als Absicherung hinten blieb. Bei eigenem Ballbesitz fand man Hoffi und Jordy als letzte Männer, aber gern auch fast auf Höhe der Mittellinie. In der durch nur einen(!) Wechsel ausgelösten Umstellung verhungerte Felix dann völlig. Weil sich Rouwen noch eine Linie weiter weg vom Tor einsortierte, standen sich die drei Spitzen wenigstens nicht auf den Füßen. Sagen wir so: Eine Zukunft hat dieses System mit diesem Personal nicht.
Richtig wild wurde es dann mit aber in der 78. Minute mit zwei Einwechslungen, die als mutig zu bezeichnen, untertrieben wäre. Beim Poker würde man es ein All-in mit Bluff nennen. Okay, dass Kwadwo Baah positionsgenau für den glücklosen Klaus kam, hatte noch eine gewisse Logik. Mit de Wijs den zweiten an diesem Tag nicht so prickelnd agierenden Spieler runterzunehmen, lässt sich mit ein bisschen gutem Willen nachvollziehen. Dafür aber den oberhalb der Regionalliga noch völlig unerfahrenen Tom Geerkens einzuwechseln und als offensiven Mittelfeldler auf rechts zu postieren, war mindestens fantasievoll. Baah zeigte ein paar Mal, was er am Ball kann, blieb aber wirkungslos. Und Geerkens, tja, der normalerweise defensiver Sechser spielende Kerl, brachte vollen Einsatz, aber ebenfalls keine Wirkung.
Und trotzdem: Mit diesem einen superfeinen Drehschuss hätte Ginni Ginczek in der 95. Minute noch das Remis herbeiführen. Der Sandhäuser Tormann Drewes hielt bravourös, wie er überhaupt eine prima Leistung in seinem Kasten zeigte. Zuvor (87. Minute) hätte auch Dawid Kownacki schon ausgleichen können; eine Zuckerflanke von Nicolas Gavory landete passend auf seinem Schädel, der viel Luft um sich herum hatte, aber leider köpfte der junge Pole etwas zu ungenau. Wie er überhaupt einfach zu viele Chancen hatte, von denen er keine in die Bude bekam. Bei einem Mittelstürmer gibt das natürlich Abzug in der A-Note.
Apropos Noten: Euer ergebener Fortuna-Beobachter lehnt die Benotung von Spielern grundsätzlich ab, weil der Versuch, die Leistung über ein ganzes Spiel hinweg in eine Zahl zwischen 1 und 6 zu kondensieren, dem, was die Spieler tatsächlich leisten, nicht gerecht wird. Die relative Beurteilung eines jeweiligen Kickers in Bezug auf sein Leistungsvermögen und die speziellen Umstände seines Einsatzes hält er für menschlicher. Übrigens gehen viele Trainer genauso vor, wenn sie im Interview davon reden, dass dieser oder jener seine Möglichkeiten nicht abgerufen hat. Noch angemessener ist es aber, zu beschreiben und zu analysieren, was einer auf dem Platz so gemacht hat. Das nur nebenbei…
Dass der Kader, der Thioune zur Verfügung steht, doch zu schmal ist, zeigte sich daran, wer mit dem Abpfiff noch auf der Bank zu finden war. Neben Ersatztorwart Raffa Wolf waren dies der Neuzugang Michal Karbownik, Niko Vukancic und Daniel Bunk. Jetzt das Wort „Verstärkung“ anzuwenden, scheint angemessen, denn vermutlich wird es öfter vorkommen, dass Stammspieler ausfallen, und dann mangelt es eben doch an Backup-Kickern. Dabei sah es nach den ersten beiden Partien in der Liga so aus, als gäbe es übergeordnete Muster, die gut funktionieren, aber eben nur mit einem bestimmten Personal.
Eindrucksvoll auf jeden Fall der Auftritt der Fortuna-Anhänger, die mit mehr als den 1.000 Nasen, die sich ein Ticket im Vorverkauf gesichert hatten, anwesend waren und vermutlich fast ein Drittel der nur 4.700 Zuschauer stellten. Der Sky-Regisseur hatte sich offensichtlich ins rotweiße Fahnenmeer verliebt und zeigte es in regelmäßigen Abständen. Wenn die engagierten Auswärtsfahrer:innen dem Team auch nach solchen blöden Niederlagen die Stange halten, kann sich das am Ende noch als wichtiges Pfund erweisen und F95 vielleicht über diesen oder jenen Strich schubsen.
Was machen wir denn nun mit dieser doofen Niederlage? Mund abputzen und weitermachen? Sicher. Aber eben auch Schlüsse ziehen. Eine Erkenntnis liegt auf der Hand, nämlich dass unser magisches Dreieck aus Sobottka, Tanaka und Appelkamp Gold wert ist. Dass wir Schwächen auf den Flügeln haben, aber auch. Da wird es sich zeigen müssen, in welchem Maße der 19-jährige Kwadwo Baah hier etwas bringen kann, dass an die Leistung von Khaled Narey in der Vorsaison heranreicht. Und auf der linken Seite fehlt eindeutig jemand, denn Nicolas Gavory kann nicht die Allzwecklösung dort sein. Was auch ohne die Bestbesetzung möglich ist, zeigte die Mannschaft gegen eine grobe Truppe zumindest 35 Minuten lang ziemlich eindrucksvoll.
2 Kommentare
Die Erkenntniss ist ja erfreulich, dass jetzt nicht nur irgendwelche hektischen Fans Neuverpflichtungen bzw. Verstärkungen fordern. Es war (Baah hoffentlich für Klaus und Karbobnik für Gavory) oder wird höchste Zeit das zu erkennen und umzusetzen (Mittelfeld auf der 6 bzw. 8). Gavory ist sowas von schwach, bricht jeden Offensivlauf ab um dann den Ball wieder hinten rum zu spielen (selbst als Laie fragt man sich welches Scouting es schafft aus dem französischen Spieler Pool diesen Spieler heraus zu picken, nachdem man vorher bereits mit Hartherz, Koutris vorsichtig gesagt auch keinen guten Griff für einen LV hatte). DeWijs war ja der Königstransfer … Aua … Felix Klaus und Pettersson das reicht einfach nicht für 2. Liga Niveau, sorry
Trainer bring doch den Ginczek für Hennings .…
Die dumme Nummer mit Tom Geerkens war wohl reine Demo an die Adresse der Clubführung.
Man kann das als Verzweiflungstat akzeptieren, ich betrachte es eher als Dreistigkeit.
„Vogelwild“ klingt da noch harmlos.
Dein ewiges „Cello“ mag ja noch angehen, „Kris“ vielleicht, „Flo“ schon nicht mehr, aber bitte nicht mehr „Hoffi“ – das klingt so was von peinlich! – Demnächst auch noch Michi, Kutschi, Rouwi?