Rezept · Lass dich von der Wikipedia nicht verwirren: milchsäurevergorene Schnibbelbohnen (auch mit „pp“ zu schreiben) sind eine urrheinische Sache. Das hat viel mit der Neusser Sauerkrautfabrik Leuchtenberg und der rheinischen Tradition der industriellen Herstellung von Sauerkraut zu tun. 1861 gründete Josef Leuchtenberg seine Fabrik auf den Neusser Rheinwiesen, da wo heute das östlichste Hafenbecken liegt. Innerhalb von kaum zehn Jahren entstanden zwischen Bonn im Süden und Geldern im Norden insgesamt sieben oder acht solcher Fabriken für Sauerkraut anderer Firmen. Und weil die Menschen am Niederrhein eben nicht nur den Kohl gern fermentiert aßen, legte man eben auch Schnibbelbohnen sauer ein. [Lesezeit ca. 4 min]
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Eigentlich müssten Schnibbelbohnen inzwischen zum Superfood avanciert sein, denn Fermentation geht in der Kulinarik aktuell ziemlich steil. Tatsächlich sind die fermentierten Bohnenschnipsel genauso gesund wie Sauerkraut. Und so wie man aus Weißkohl eigenhändig Kimchi und damit Sauerkraut herstellen kann, ist auch das Sauereinlegen von Bohnen keine Raketenwissenschaft. Überhaupt: Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein und in unserer Region erneut nach dem zweiten Weltkrieg besaßen viele Haushalte, gerade auf dem Land, je ein Fass für Sauerkraut und eines für Schnibbelbohnen. Dazu den klobigen Sauerkrautstampfer und das passende Brett zum Abdecken des Fassinhalts.
Bohnen selbst sauer einlegen
Heute geht es einfach im Weckglas, denn die Böhnchen beginnen allein durch das Einsalzen und den Ausschluss von Sauerstoff mit der Produktion von Milchsäurebakterien, die dann a) für schicke gesunde Inhaltsstoffe sorgen, b) das Zeug haltbar machen und c) für die leichte Säure sorgen. Ausgangsprodukt sind frische, ganz junge Stangen- oder Buschbohnen. Die werden schräg in ziemlich kleine Abschnitte zersägt und zuerst in einer großen Schüssel mit Salz vermischt. Auf ein Kilo Bohnen gehören 25 bis 35 g Salz, am besten selbstgemösertes grobes Meersalz. Nun wird das Ganze so lange mit den Händen (Handschuhe tragen!) durchgeknetet, bis die Böhnchen Saft lassen. Anschließend schichtet man die Masse in sterilisierte Einmachgläser, drückt die Schichten immer wieder stark zusammen und verschließt dann das Glas. Wichtig ist, dass der Inhalt vollständig von Flüssigkeit bedeckt ist; haben die Bohnen zu wenig davon produziert, muss man mit Salzlake auffüllen.
Die Gläser brauchen ungefähr eine Woche bis zehn Tage bei Zimmertemperatur(!) bis die Fermentierung anfängt. Anschließend kann man die Schnibbelbohnengläser zwei, drei Wochen lang trocken, kühl und dunkel vor sich hin gären lassen. Dann sind sie lagerfähig und werden – so sie denn trocken und dunkel bei gleichbleibender Temperatur aufbewahrt werden – gut und gerne bis zur nächsten Ernte halten.
Früher lieferten die Fabriken Sauerkraut und Schnibbelbohnen in Fässern an Lebensmittelläden und Metzger aus, wo die Einkaufenden sich dann die gewünschten Mengen abwiegen ließen. Sauerkraut aus dem Eimer gibt es immer noch in Fleischereien, saure Bohnen leider nicht mehr – jedenfalls habe ich in Düsseldorf keinen Metzger gefunden, der sie noch anbietet. Und leider, leider stellen noch lange nicht alle Supermärkte die Beutel mit den Schnibbelbohnen ins Regal – eine rühmliche Ausnahme ist da REWE, die diese Leckerei sogar im Online-Shop anbieten. Vergleichstests über die Jahre zeigen übrigens, dass ALLE am Niederrhein produzierten Sauerbohnen sehr ähnlich schmecken und allesamt zu empfehlen sind. Je nachdem wo und wie man die Schnibbelbohnen einkauft, kostete ein 500-g-Beutel zwischen ca. 2,00 und über 3,00 Euro.
Im Prinzip kann man die gesäuerten Bohnenschnipsel wie Sauerkraut einsetzen, so richtig urrheinisch ist aber der Schnibbelbohneneintopf. Und das ist mein Rezept:
Die Zutaten (für 4 Portionen):
500 g sauer eingelegte Schnibbelbohnen
250 g festkochende Kartoffeln
1 mittelgroße Zwiebel
200 g durchwachsener Räucherspeck
2~3 Mettenden
500 ml Gemüsebrühe
1/2 EL Butter
1/2 EL Mehl
ca. 80 ml Sahne
1 kleine Handvoll gehackte Petersilie
1~2 TL getrocknetes Bohnenkraut
neutrales Öl
Salz, weißer Pfeffer, evtl. Essig
Die Zubereitung:
Für das mis-en-place schneidest du den Speck in feine Lardons und die Zwiebel in kleine Würfel. Schäl die Kartoffeln und zerleg sie ebenfalls in mundgerechte Würfel. Die Böhnchen kippst du aus dem Beutel in ein Sieb und spülst sie einmal mit kaltem Wasser ab. Je nachdem wie salzig du es magst (du kannst ein Stückchen probieren, um den Salzgehalt zu schmecken), wiederholst du den Vorgang. Vorsicht: Irgendwann hast du die Schnibbelbohnen totgespült, weil das Wasser nicht nur das Salz rauswäscht, sondern auch die Säure.
Lass den Speck in ganz wenig Öl aus und bräune dann die Zwiebelwürfel darin an. Schwitz auch die Kartoffelwürfel kurz mit an. Gib schonmal 1 TL vom Bohnenkraut hinzu und lösch mit 400 ml von der Gemüsebrühe ab. Nun schaufelst du die Böhnchen in den Topf und rührst alles gut unter. Schmeck erstmals ab; es kann sein, dass du kein zusätzliches Salz brauchst. Würze mit wenig weißem Pfeffer. Nun schmort das Ganze für ca. 25~30 Minuten mit geschlossenem Deckel. Hack die Petersilie und schneid die Mettenden in Scheiben. Nebenbei bereitest du eine kleine Mehlschwitze, die du mit Sahne auf die gewünschte Konsistenz bringst.
Ist der Eintopf gar, rührst du die Mehlschwitze ein. Dann lässt du die Mettwurstscheiben im Eintopf warmwerden. Schmeck die Sache final mit 1 TL Bohnenkraut, evtl. ein wenig Salz und weißem Pfeffer ab. Ist dir der Eintopf nicht sauer genug, hilf mit ein wenig Weißweinessig nach. Du kannst auch den Essig auf den Tisch stellen, damit sich die Mitessenden selbst daran bedienen. Zuletzt dekorierst du mit der Petersilie.