Bericht · Natürlich könnte man auch die nicht mehr bestehenden anderen Altbierbrauereien auf Düsseldorfer Boden nennen, also die Hirschbrauerei, Dieterich und Gatzweiler, aber das Schicksal der Schlösser-Brauerei an der Münsterstraße steht nicht nur stellvertretend für deren Verlust, sondern für die Entwicklung des Altbiers generell. Bis 2002 wurde das Bier für die Flaschen mit dem blauen Etikett in einer großen Fabrik zwischen der Münster- und der Rather Straße produziert. Dann wurde die Brauerei abgerissen und an ihrer Stelle der Campus der Hochschule Düsseldorf errichtet; das Bier namens Schlösser Alt wird seitdem in irgendeiner Bierfabrik in Dortmund gebraut. [Lesezeit ca. 6 min]
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Erst mit der Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde um 1873 wurde die industrielle Herstellung von Bier erst möglich Das galt besonders für alle obergärigen Biersorten, deren Gärprozess mit höheren Temperaturen verläuft – also auch unserem geliebten Düsseldorf Altbier. Weil Bier, das ohne Konservierungsstoffe nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird, relativ schnell verdirbt, muss es gekühlt gelagert werden. Bei kleinen Mengen, wie sie bis Mitte des 19. Jahrhunderts in den vielen, vielen Hausbrauereien erzeugt wurden, reichte da der kühle Gewölbekeller, weil ohnehin nie mehr Bier gebraut wurde als in der Gaststube und am Verkaufsschalter innerhalb von ein, zwei Tagen wegging.
Gerade beim Altbier aber, dass nach dem Ende des Brauprozesses ziemlich warm ist, brauchten schon die Gasthäuser, die ihr eigenes Bier brauten, Eis zur Kühlung. Das gab es bis 1873 nur im Winter; in der kalten Jahreszeit wurden Blöcke aus dem Eis der Seen und Weiher geschnitten und so gelagert, dass bis über den Sommer nicht alles geschmolzen war. Mit der Linde-Maschine aber konnte nun Eis aus Wasser maschinell hergestellt werden. Ich erinnere mich noch gut an die Eismaschine der Hirschbrauerei an der Tussmannstraße. Das Gebäude sah von innen aus wie ein gigantischer Kühlschrank. Wasser wurde ganz oben in hölzerne Formen gepumpt, unter denen sich Kühlschlangen befanden, die für Temperaturen deutlich unter Null sorgten. In regelmäßigen Abständen wurden die Formen gekippt, und das Stangeneis glitt über Rutschen nach unten. Dort wurde es von den Arbeiter auf Karren geladen und zum Lagerkeller gebracht.
Eine solche Kältemaschine gab es natürlich auch in der Schlösser-Brauerei an der Münsterstraße. Während die der Hirschbrauerei noch aus der Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg stammte, war die Schlösser-Eismaschine hochmodern, denn die Fabrik in Derendorf wurde erst 1972 eröffnet. Zuvor war nach Umzügen und Erweiterungen aus der 1873 gegründeten Brauerei Schlösser im Herzen der Altstadt eine veritable Produktionsstätte entstanden. Die befand sich direkt am Stiftsplatz unter der Adresse Altestadt 11; man kann sich diese Brauerei von der Größe her ungefähr wie die heutige Füchschenbrauerei vorstellen. Wohlgemerkt: Schlösser war bis 1930 eine Hausbrauerei wie Uerige, Füchschen, Schumacher, Gatzweiler (Schlüssel) und übrigens Frankenheim auch.
Um das Jahr 1930 veränderte sich die Bierbranche erheblich. Einige Großbrauereien, besonders aus München und Dortmund, gingen mit ambitionierten Wachstumsplänen an die Börse – die ersten Biere als Markenartikel entstanden. Das bedeutet: Ein typisch Münchner Helles von der Schwabenbräu wurde auf Flasche gezogen deutschlandweit verkauft, genauso wie ein Pils von Union aus Dortmund. Zuvor erreichte das Verkaufsgebiet einer Brauerei bestenfalls einen Umkreis von 50, 60 Kilometern im Umkreis. Als aber die Braukonzerne sich bildeten, waren deren Manager bemüht, überall im Land Brauerei aufzukaufen oder Kooperationsverträge zu schließen. So kam es zu einer Beteiligung der Schwabenbräu an der Brauerei Schlösser.
Übrigens: In Düsseldorf kam es zu einer Gegenbewegung. Der Inhaber und Patriarch der Hirschbrauerei, Josef Paefgen, hatte die Braugemeinschaft Bier (BGB) gegründet, um allen angeschlossenen Brauhäusern durch den Kauf größerer Mengen Gerste und Hopfen günstigere Einkaufspreise zu ermöglichen. Diese BGB hatte über den zweiten Weltkrieg bis weit in die Fünfzigerjahre hinein Bestand und hatte alle Düsseldorfer Hausbrauereien sowie die noch selbstständigen Bierfabriken als Mitglieder. Damals waren das Düssel Alt von der Hirschbrauerei und das Schlösser Alt die beliebtesten Sorten der Stadt.
Während die Braukonzerne nach dem zweiten Weltkrieg auf eine moderne Markenstrategie setzten, entschieden sich die Hirschbrauerei und die Brauerei Schlösser auf eine andere Strategie: Beide kauften im großen Stil Gaststätten, um sie anschließend zu verpachten – und damit sicherzustellen, dass dort nur ihr Alt ausgeschenkt wurde. Allerdings beschränkte sich Schlösser auf Düsseldorf und das Umland – also Neuss, Mönchengladbach und Krefeld sowie – was wenig bekannt ist – auch Duisburg und Essen. Die Hirschbrauerei versuchte ihr Vertriebsgebiet nach dieser Strategie aber weit darüber hinaus auszudehnen: nach Westfalen und in Richtung Westerwald.
Die beiden Brauereien waren schärfste Konkurrenten und bemühten sich beide um maximale Sichtbarkeit in Düsseldorf. Da spielten das Winter- und das Sommerbrauchtum (Karneval und Schützenwesen) eine entscheidende Rolle. Die ersten Kirmeszelte waren die der Hirschbrauerei und der Brauerei Schlösser. Leitende Mitarbeiter beider Unternehmen engagierten sich massiv im Karneval und in den Schützenvereinen; der Erich Paefgen, der Juniorchef der Hirschbrauerei, war 1951 sogar Prinz Karneval. Übrigens eine Strategie, die rund 20 Jahre später von der Brauerei Frankenheim sehr erfolgreich imitiert wurde.
Aber, wie es so geht: Nach dem Tod des Patriarchen Mitte der Sechzigerjahre ging es mit der Hirschbrauerei abwärts, während Schlösser immer größere Marktanteile eroberte und in Düsseldorf allgegenwärtig war. 1971 übernahm die Krombacher Brauerei die Mehrheit an der Hirschbrauerei, die 1972 den Braubetrieb einstellte; die Braustätte wurde in den Siebzigern abgerissen. Ironie der Geschichte: Krombacher wollte die Marke Düssel Alt erhalten, auch weil es immer noch Dutzende Kneipen in Düsseldorf gab, in denen dieses Bier ausgeschenkt wurde – nach dem Ende der Braustätte an der Tussmannstraße wurde Düssel Alt dann in der neuen Schlösser-Brauerei an der Münsterstraße produziert.
Nach dem Umzug in die neue Fabrik im Jahr 1972 baute Schlösser seinen legendären Veranstaltungssaal an der Stelle, an der sich zuvor die Brauerei befunden hatte. Und der wurde zum Mittelpunkt des hiesigen Brauchtums und zum zentralen Ort des Heimatvereins Düsseldorfer Jonges. Zwischen 1999 und 2009 kam es zur ersten großen Modernisierungswelle in der Altstadt, die besonders die Südseite der Ratinger Straße betraf. Dabei wurde das ehemalige Gelände der Brauerei Schlösser samt ihres Festsaals nach einem Verkauf neu bebaut. Ein paar Jahre später entstand der Komplex, der heute „Schlösser-Quartier“ genannt wird. Zwischen der Ratinger Straße und der Ratinger Mauer gibt es heute wieder eine Veranstaltungshalle (Henkel-Saal), ein Restaurant und einen Club.
Über viele Jahre war die Brauerei Schlösser Sponsor der Düsseldorfer EG, die Trikots mit dem kreisrunden Logo sind bis heute Kult. Vor Kurzem hat man dieses herrlich altmodische Logo abgeschafft und stattdessen eine hübsche, wenn auch recht komplizierte Wortbildmarke eingeführt. Nach wie vor wird in vielen Düsseldorfer Gasthäusern Schlösser Alt ausgeschenkt, und in der Flasche ist es in der Stadt und im Umland in vielen Getränke- und Supermärkten zu bekommen. In der Beliebtheitsrangliste hat es dagegen schon lange keine Chance mehr gegen die ächten Hausbrauereien.
Legendär auch die Tage der offenen Tür der Braustätte an der Münsterstraße, wo nicht nur Freibier in großen Mengen getrunken wurden, sondern auch internationale Musiker auftraten; in den späten Achtzigerjahren erlebte ich dort zum Beispiel den großartigen Screamin‘ Jay Hawkins und die fantastische Marla Glen. Mit dem Ende der Fabrik endete auch diese Tradition. Immerhin ist Schlösser neben Frankenheim und Diebels immer noch das beliebteste Altbier aus industrieller Produktion.
Ein Kommentar
Anfang der 1970er Jahre hieß die Schlösser-Brauerei noch Schwabenbräu-Brauerei mit dem entsprechenden Schriftzug an der Außenseite. Habe dort in den Ferien an der dampfenden Fasswaschanlage gejobt. Da die Brauer das Bier bereits ab morgens wie Limonade tranken, gab’s zwischendurch immer mal ’nen Kurzen. Bin nie nüchtern nach Hause gekommen. Und sechs Flaschen Gratisbier gab’s pro Woche auch noch.