Analyse · Um den Gegner nicht aufzuwerten, nennen wir in der Regel nur den Ortsnamen; im Falle des morgigen Gastgebers geht das nicht, denn die beiden führenden Clubs in Oldenburg unterscheiden sich nur in einem Buchstaben. Die gerade im Pokal besonders glorreiche Fortuna muss gegen den VfL Oldenburg ran, und der ist im Vergleich zum VfB der kleinere Bruder. Denn der VfL ist eher so ein in der Wolle gefärbter Fünftligist, der nur einmal an der vierten Etage geschnuppert hat. Nach einer Neuordnung der Ligen im Norden tritt der Traditionsclub (gegründet 1894) in der Oberliga Weser-Ems-Lüneburg an und hat dort u.a. die durchgereichten Kickers aus Emden als Mitbewerber. Größtes Manko der VfLer: Die Vorsaison fiel aus, sie haben seit anderthalb Jahren kein Ligaspiel mehr absolviert. Das riecht nach einer leichten Nummer für F95. [Lesezeit ca. 4 min]
Man kann nicht sagen, dass unser Cheftrainer Christian Preußer diesen Gegner unterschätzt – eher im Gegenteil. Er habe zum Glück Videos von Testspielen der Oldenburger gesehen, die würden sehr flexibel spielen, mehrere Systeme beherrschen, und der Coach des VfL sei sogar noch jünger als er. Alles in allem nähme er diesen Pokalgegner sehr, sehr ernst. Und deshalb käme irgendeine Rotation, wie sie „große Mannschaften“ gegen „kleine Gegner“ gern betreiben, nicht in Frage. Man wolle, so Preußer in der virtuellen Pressekonferenz am Freitag, von vornherein aber so richtig dominant auftreten und klar auf ein schnelles erstes Tor hinarbeiten.
Das hört sich vernünftig an, und nur Böswillige unken, der Trainer rede den Gegner stark, damit ein Pokalaus nicht so überraschend käme. Man erinnere sich: Vorgänger Uwe Rösler, dieser grundsympathische und nachweislich kompetente Vorgänger, verspielte sich die Sympathien der Fans zuerst bei der unglücklichen Niederlage nach Elferknallen in Saarbrücken und dann endgültig mit der erbärmlichen Pokalniederlage gegen den RWE kurz vor Weihnachten 2020. Das soll, das darf sich nicht wiederholen! Das Erreichen des Viertelfinales ist – nicht nur aus Sicht Ihres ergebenen Pokalliebhabers – das minimale Saisonziel. Ob Christian Preußer die besondere Rolle des DFB-Pokals für altgediente Anhänger der launischen Diva bewusst ist, wurde in der Pressekonferenz nicht abgefragt.
Der Matchplan
Den Spielplan hat Preußer also in groben Zügen skizziert: Maximale Dominanz, schnelles Tor. Nun ist über die körperlichen Zustände der Oldenburger wenig bekannt. Die Altersstruktur ist gemischt, eine Profivergangenheit hat keiner der älteren Kicker, einige der Herren haben ihr gesamtes Fußballeben beim VfL verbracht. Den Ligatorschützenkönig der Saison 2019/20 mussten sie an Lotte abgeben. Und das ist schon alles, was man darüber sagen kann. Das bedeutet, dass sich das Coaching-Team der Fortuna auf keinen gegnerischen Spieler besonders vorbereiten kann, ja, dass man den Plan und das taktische System möglicherweise nach den ersten zehn, fünfzehn Minuten wird nachjustieren müssen.
Die gute Nachricht ist, dass man in den Testspielen gegen Meerbusch (Fünftligist wie der VfL) und Schiefbahn gesehen hat, wie das Team in Rot mit unterklassigen Gegnern umspringen kann. Schon damals haben die Jungs von Anfang an und solange die Körner reichten, Druck, Druck, Druck gemacht und die Dominanz in massenweise Torchancen umgemünzt. Es wird auch darum gehen, sehr schnell einzulochen, um nicht diesen typischen Effekt einer Pokalpartie zwischen zwei so weit auseinander liegenden Teams zu kriegen, dass die Sache immer zäher und zäher wird, dass dann der Fünftklässler irgendwie ein Tor macht und der nominelle Favorit sich mühen und mühen muss, wenigstens den Ausgleich zu machen, um sich dann durch eine Verlängerung und ein Elfmeterschießen zu quälen.
System und Aufstellung
Die Konsequenz aus dem klaren Matchplan heißt, dass die formstärksten Kollegen auf die Oldenburgische Wiese müssen. Und da hat Preußer auf einer Position eine klare Aussage gemacht: Flo Kastenmeier spielt. Manchen Fans wird das den Kamm schwellen lassen, aber der Coach hat klar gesagt, dass er von dieser Institution des „Pokaltormanns“ überhaupt nichts hält. Was bedeutet: Würde er Raffa Wolf nominieren, wäre das eine Entscheidung gegen Kaste, die sich auch auf den Ligabetrieb auswirken würde. Kann man nachvollziehen und verstehen, muss man aber nicht gutfinden.
Da aller Wahrscheinlichkeit nach wieder Dragos Nedelcu und Shinta Appelkamp in der Startelf stehen können, Cello Sobottka aber leider nicht, stehen inklusive Keeper sieben Spieler fest: neben den genannten auf jeden Fall Chris Klarer, Zimbo Zimmermann, Kris Peterson und Rouwen Hennings. Die wesentlichen Entscheidungen, die Preußer wird treffen müssen, sind die zwischen Flo Hartherz und Leon Koutris auf der linken AV-Position und die zwischen Khaled Narey, Shipp Shipnoski und Felix Klaus als linke Läufer. Außerdem stellt sich die Frage, wer neben Shinta das Mittelfeld besetzt – hier kommen Eddie Prib und Kuba Piotrowski in Frage. Wenn aber Dominanz und Tore im Matchplan stehen, muss eine zweite Spitze neben Rouwen her. Und die kann momentan eigentlich nur Dawid Kownacki geben. Der braucht, so wie er mental beschaffen ist, dringendst Erfolgserlebnisse; die könnte er sich in Oldenburg vermutlich noch am einfachsten holen.
Ihr Ergebener plädiert in den Entscheidungsfragen für Koutris, Prib und Narey, sodass die Startaufstellung in einem echten 4-4-2 so aussieht:
Kandidaten fürs Einwechseln sind die eben als Alternativen genannten Hartherz, Shipnoski und/oder Klaus sowie auf jeden Fall Käpt’n Bodze fürs defensive Mittelfeld, aber auch Piotrowski. Eventuell müssen aus Fitnessgründen Appelkamp und Nedelcu vorzeitig runter, dann würde Bodzek in die IV rücken und Kuba Shinta ersetzen. Ob Emma Iyoha schon wieder fit genug für einen Einsatz ist, war noch unklar.
Der Tipp
Die Wahrscheinlichkeit, in Oldenburg einer Pokalsensation zu erliegen, liegt im einstelligen Prozent-Bereich, denn stärker als Villingen (1:3) vor zwei Jahren oder Koblenz (0:5) vor drei Jahren dürfte der Vfl Oldenburg nicht sein, und diese Begegnungen hat die Fortuna mit mehr oder weniger deutlichen Siegen erledigt. Ob den VfLern ein Tor gelingt? Kann passieren – zum Beispiel nach einem Kastenmeier-Moment … nur Spaß! Ihr unwahrscheinlich ergebener F95-Analyst sagt also mutig ein 7:1 für die Rotweißen voraus. Sagt aber auch: Hauptsache gewinnen auf dem Weg nach Berlin.
2 Kommentare
Grundsätzlich sollte man das Fell des Bären erst verteilen, nachdem er erlegt wurde.
Habe aber diesmal auch ein gutes Gefühl.
Also halten wir uns den 21.05.2022 vorausschauenderweise frei und organisieren schon mal Mitfahrgelegenheiten nach Halbangststadt (f.k.a. Berlin).
Ich finde, dass der Gegner uns Mal wieder die Möglichkeit gibt mit einer Dreierkette zu spielen, in der Klarer, Nedelcu und Hartherz auflaufen.
Das Mittelfeld würde dann außen mit Koutris und Narey besetzt werden und dazwischen Prib mit Appelkamp auflaufen. Vorne links mit Peterson, rechts mit Klaus und in der Mitte mit Hennings oder Kownacki.
Ich hoffe auf ein überlegenes Spiel unserer Fortuna.