Vermutlich war Gabriele Henkel die Düsseldorferin, die als Einzige das Erbe der wunderbaren Anna Maria Luisa d’Medici in der Stadt fortgeführt hat. Wie die Gattin des legendären Jan Wellem hat auch die Ehefrau des Konzernchefs Konrad Henkel den Ruf Düsseldorfs als Stadt der Kunst in die Welt getragen. So wichtig ihr die Künstler und die Kunst war, so einflussreich war sie auch in den Kreisen von Wirtschaft und Politik. Für uns Normalbürger Düsseldorfs aber blieb sie immer ein beinahe unwirkliches, unfassbares Wesen – Lichtjahre entfernt von unserer Lebensrealität. Dafür war jeder Mensch, der zu einer ihrer legendären Salons, Dinners und Feste eingeladen wurde, sofort und für immer „in“.

Gabriele Henkel - das offizielle Porträtfoto der späteren Jahre

Gabriele Henkel – das offizielle Porträtfoto der späteren Jahre

Diese mächtige Position gründete aber eben nicht allein oder vorwiegend auf dem Vermögen der Familie Henkel, sondern war Ausdruck ihrer überragenden Intelligenz und ihrer ungeheuren Fähigkeit zur Kommunikation. Aufgrund der Kriegsjahre wuchs Gabriele Hünermann als Tochter des Chefarztes des Marienhospitals beinahe ohne Schulbildung auf und war so gezwungen, sich den Kanon der europäischen Kultur im Kontakt und Gespräch mit Menschen zu arbeiten – zunächst als Au-pair in London, dann als Journalistin. In den frühen Fünfzigern war sie als Korrespondentin von Newsweek das einzige weibliche Mitglied der Bundespressekonferenz.

Düsseldorf war ihr Lebensmittelpunkt und, ja, sie war durch und durch Rheinländerin. Kein Wunder, dass sie ihren späteren Ehemann im Karneval kennenlernte. So sehr sie im Beruf mit der Weltlage zu tun hatte, so sehr galt ihre große Liebe doch der Kunst. Alles interessierte sie an diesem Thema: die Theorien, die Künstler und die Werke. Ab etwa 1970 beauftragte sie der Henkel-Konzern offiziell damit, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufzubauen. Nach gut 30 Jahren waren es an die 4.000 Werke, von denen ein großer Teil in den Büros, Fluren, Besprechungsräumen und in der Mitarbeiterkantine von Henkel hängen.

Nie ging es Gabriele Henkel um die reine Sammelei, die sie mit großer Unterstützung ihrer Schwester, der Galeristin Hete Hünermann, betrieb. Der Austausch mit den Künstlern, nicht nur über deren Arbeit, war ebenso wichtig. Und weil ihr Horizont nicht bei klassischen Kunstwerken endete, unterstützte sie auch andere kreative Menschen bei ihrem Tun. Als Mäzenin ermöglichte Gabriele Henkel eine schier endlose Reihe ungewöhnlicher Projekte – unter anderem das Eat-Art-Restaurant von Daniel Spoerri am Düsseldorfer Burgplatz.

Gabriele Henkel - ihre Autobiografie

Gabriele Henkel – ihre Autobiografie

Bis in ihr hohes Alter war Gabriele Henkel zudem eine schöne Frau, eine auffällige Erscheinung, die nicht nur Künstler, sondern Berühmtheiten aus der Politik beeindruckte – von Konrad Adenauer über Henry Kissinger bis Hans-Dietrich Genscher. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1999 zog sie sich weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück, blieb aber präsent. Ihre 2017 erschienene Autobiografie unter dem Titel „Die Zeit ist ein Augenblick“ ist nicht nur ein beeindruckendes Zeitdokument, sondern zeigt Gabriele Henkel als unerwartet uneitle Frau, die das Leben genauso geliebt hat wie die Kunst. Im September 2017 ist sie gestorben – eine Ausstellung ihrer Lieblingswerke im K20 hat sie noch erarbeitet, zur Vernissage erschien sie nicht mehr. Sie wird allen Düsseldorfer, die ihre Stadt auch als Kunstmetropole lieben, für immer im Gedächtnis bleiben.

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