Das größte Missverständnis rund um das Open-Air-Konzert von Ed Sheeran: Der Messeparkplatz P1 würde nur für diesen einen Gig hergerichtet und dabei würden 104 Bäume gefällt. Nun hat die CDU-Ratsfraktion wie zuvor die Grünen, die Linken und diese „Tierschutzpartei“ öffentlich erklärt, keine Zustimmung zu einer Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Damit dürfte das Event am 22. Juli gestorben sein. Während die Grünen ökologisch argumentieren und die Linken generell dagegen sind, hat die CDU auf diesen Punkt hingewiesen und erklärt, man habe nicht generell etwas gegen ein Open-Air-Gelände zwischen Messe und A44, aber gegen einen Schnellschuss. Natürlich schäumen nun Sozialdemokraten, die Absage der CDUler sei rein parteipolitisch gedacht und solle nur OB Geisel schaden. Aber diese Verschwörungstheorie greift zu kurz.

Die Methode Geisel

Denn über alles betrachtet zeigt sich der gesamte Vorgang beispielhaft für die Art und Weise wie Ex-Manager und Oberbürgermeister Thomas Geisel meint, in Düsseldorf Projekte durchdrücken zu müssen. Vermutlich muss man ihm für seine Methodik noch nicht einmal einen Vorwurf machen – er hat es ja nie anders gelernt in seiner beruflichen Laufbahn. Manager sind dazu da, Dinge durchzusetzen. So hat er es wahrscheinlich bei der Treuhand gemacht, mutmaßlich bei ENRON und nach Aussagen von ihm unterstellten Mitarbeitern bei EON-Ruhrgas ganz sicher. Man kann auch davon ausgehen, dass seine Motive für Aktionen wie den durchgepaukten Grand Depart und das Ed-Sheeran-Konzert moralisch einwandfrei sind und Geisel sich sicher ist, er handele im Interesse der Stadt. Nein, ein böser und rücksichtsloser Egomane ist dieser OB nicht. Es fehlt ihm einfach das Grundverständnis dafür, wie in Düsseldorf Lokalpolitik gemacht wird.

Man stelle sich zunächst die Frage, ob unsere kleine Großstadt wirklich ein eher oder weniger festes Gelände für Open-Air-Konzerte mit um die 80.000 Besucher braucht. Die Hoteliers und Gastronomen meinen: Ja. Klar, man hat drastische Überkapazitäten aufgebaut und ist für jede Maßnahme dankbar, Menschen hierher zu holen, da liegt die Interessenlage dieser Branche auf der Hand. Okay, jedes Großereignis produziert auf die eine oder andere Art Steuereinnahmen, die Düsseldorf natürlich gern nimmt. Wobei sich die Eingangsfrage differenziert beantworten lässt: Ein „Open-Air-Park“ wäre nicht schlecht, aber nicht um jeden Preis und vor allem sorgfältig und transparent geplant. Solch ein Projekt (das sich zum Zeitpunkt der Zusage an den Veranstalter FKP Scorpio bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstadium befand) muss zudem den Bürgern mit allen Folgen vermittelt werden. Und das geht eben nicht holterdiepolter in drei Monaten und per Order de Mufti.

Der Erfolgsdruck des Michael Brill

Der Druck auf Geisel kam mit großer Wahrscheinlichkeit vom „Hallenmanager“ Michael Brill, der um jeden Preis erfolgreich sein will, um die Düsseldorfer Event-Stätten auszulasten und dafür den Großveranstaltern (wie FKP Scorpio) ein Komplettpaket schnüren will – Open-Air-Gelände inklusive. Auch das ist im Sinne des Wettbewerbs mit Städten in der Nähe – namentlich Köln, Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Oberhausen und neuerdings auch wieder Essen – aller Ehren wert. Als das Ed-Sheeran-Konzert auf dem Mülheimer Flughafen abgesagt werden musste, sah Brill die Chance gekommen, seinen Gesamtplan deutlich zu beschleunigen. Und missachtete ebenfalls die Regeln der hiesigen Lokalpolitik. Dies deckte die CDU-Ratsfraktion nun auf, natürlich auch mit dem Hintergedanken, durch ihre Position dem Oberbürgermeister eins auszuwischen.

Ob die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung das endgültige Aus für den D.Live Open-Air-Park bedeutet, ist offen. Von „Expertenseite“ wurde im Vorfeld geraunt, eine Absage würde Düsseldorf als Ort für wichtige Konzerte auf lange Sicht disqualifizieren – tatsächlich versuchten so Veranstalter-Lobbyisten Druck auf hiesige Ratsmitglieder aufzubauen. Das Problem liegt tiefer. Fraglich bleibt so und so, ob und wie viele Freiluftveranstaltungen die DCSE tatsächlich nach Düsseldorf locken könnte; bislang war meistens von einem (oder mehreren) Gigs der Toten Hosen und einem nicht näher spezifizierten Elektromusik-Festival die Rede. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine neue, veränderte und mit noch mehr Sorgfalt und Transparenz durchgeführte Planung nicht doch ohne das Umhauen von 104 Bäumen auskommt. Dass sich das ausgesuchte Gelände am Nordrand der Messeparkplätze als Open-Air-Event-Fläche bestens eignet, dürfte klar sein – selbst im Hinblick auf die (zusätzliche) Lärmbelästigung der Anwohner im rund drei Kilometer entfernen Lohausen.

Ein Kommentar

  1. Wenn ich mit Touristen aus dem Rest der Republik oder dem Ausland rechne, ist eine solche Fläche vielleicht interessant. Wenn ich aber als Region denke, wo man in der Nachbarkommune nicht mal tot über dem Zaun hängen möchte, kann die Konkurrenz auch schon mal Schaden anrichten. Städte wie Duisburg oder Gelsenkirchen müssen sich ja auch gegenüber Investoren und Talenten (vulgo Arbeitnehmern und Einwohnern) verkaufen.

    Natürlich kann man sich bei der Betrachtung eines Ballungsraum (heutzutage Metropolregion genannt) in der Größenliga von London oder Paris fragen, warum dieser nicht sein eigenes Maifeld (Berliner Olympiastadion) haben sollte. (Auch ohne nenneswerte Regierungsfunktion.)

    Etwas zwiespältig bin ich bei der Auswirkung auf die Musikbranche. In Hollywood gab es früher die großen Filmstudios mit ihrem Starsystem. Herr Brill hätte genauso bestimmte Veranstalter mit ihren jeweiligen Künstlern bevorzugt und diese groß bzw. größer gemacht. Zu jedem Konzert gibt es auch Pressearbeit, welche die Konkurrenten überstrahlen muss.

    Man kann das Geld nur einmal ausgeben. Und ein Superkonzert mit Special Effects SFX kostet hier EUR 113. Dafür könnte ich drei bis vier mal in das Savoy-Theater gehen und regionale Künstler sowie Nachwuchs fördern.

    Letztlich muss ich mich fragen, ob es wirklich ein Verlust ist, wenn deutsche Städte nie so groß sein werden wie jene Megacities in China und Indien. Umgekehrt kann ich aber auch nach Vor- und Nachteile der Selbstverzwergung von Rhein/Ruhr fragen.

    Gruß.