Post vom Rainer zum Sponsoren-Deal zwischen D.Sports und Rheinmetall…
Meinung · …dass du, du großer traditionsreicher Rüstungskonzern, nun mit der Sportstadt (die ja inzwischen hipstermäßig „D.Sports“ heißen muss) beziehungsweise über deren Mutter, dem Michael Brill sein D.Live, eine Sponsorenvereinbarung getroffen hast, erregt die Gemüter. Zurecht. Denn bei einem solchen Deal findet ja immer auch eine Image-Übertragung in beiden Richtungen statt: [Lesezeit ca. 5 min]
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Die Handballer des Bergischen HC, Kosename „Löwen“ oder auch „Bergische Löwen“, werden mit dem Rheinmetall-Logo gebrandmarkt, der Rüstungskonzern darf sich damit schmücken, den Sport, ja, auch „den Nachwuchs“ zu fördern. Denn, so die Pressemitteilung, auf diese Weise könne Rheinmetall „als Teil der Stadtgesellschaft in Düsseldorf auch Verantwortung […] übernehmen und […] sich für ein gutes soziales Miteinander […] engagieren. Wunderbar.
Ein Aufschrei ging durch die Stadt: Ui, der übergroße Steuerzahler mit den menschenfeindlichen Geschäften betreibt „Sportwashing“, will durch sein finanzielles Engagement von seiner Veranwtortung für kriegerische Auseinandersetzungen überall auf der Erde und den Tod Hunderttausender Menschen durch seine Produkte ablenken. Verschiedene Lokalpolitker:innen fordern ein sofortiges Ende der Vereinbarung, und manche plädieren vehement dafür, den Brill, der für diese Chose veranwtortlich ist, rauszuschmeißen.
Nun gibt es genug Gründe für Düsseldorfer:innen die Demission des D.Live-Chefs (dessen Vertrag kürzlich vorzeitig bis 2025 verlängert wurde) zu fordern. Dessen Managment zielt darauf ab, mit allen Mitteln und um jeden Preis die teueren „Event-Locations“ der Stadt – von der Arena über den Dome bis zur Philipshalle und dem Castello – voll zu kriegen. Das ist im Sinne der hiesigen Steuerzahlung erst einmal richtig so, aber den Hals kriegt der Brill anscheinend nicht voll, wenn man mal an seinen Alleingang zum Open-Air-Gelände auf dem Messeparkplatz im Jahr 2018 denkt.
Und obwohl die glorreiche Fortuna unbestrittener Hauptmieter der Spielautomaten-Arena in Stockum ist, verweigert Brill dem Verein jedes Mitspracherecht an der Nutzung durch andere Unterhaltungssportler. Und dann ist da noch der Rather Dome, der trotz der Bespielung durch die wunderschöne D-E-G auslastungstechnisch ein bisschen ein Sorgenkind ist. Diese Halle eignet sich prima für Eishockey und – ja, genau: Hallenhandball. Nun tragen die Bergischen Löwen pro Saison ein paar Spitzenspiele in diesem Dome aus, obwohl der Club ja seine Heimat in Solingen und Wuppertal hat und seine Heimspiele eigentlich in der Wuppertaler Uni-Halle (max. 3.200 Zuschauer) und der Solinger Klingenhalle (max. 2.800 Zuschauer) austrägt.
Beim BHC 06 hatte man sich mehr davon versprochen: In der Saison 2019/20, also vor der Corona-Pandemie, kamen in der Spitze etwas über 5.000 Interessierte in die Rather Halle, der Minusrekord lag bei knapp 3.200 Anwesenden. Immerhin noch mehr als doppelt so viele Menschen wie die Rhein Vikings in das Reisholzer Castello in besten Tagen zu holen in der Lage waren. Moment! Ja, es gab ja schon einmal wenigstens Zweitligahandball in Düsseldorf in den letzten Jahren. 2017 war es, dass die HSG Neuss/Düsseldorf unter dem bescheuerten Namen „Rhein Vikings“ den Spielbetrieb in Liga Zwo aufnahm – und zwar mit der Lizenz des Neusser HV, der den sportlichen Aufstieg geschafft hatte.
Womit wir wieder bei Rheinmetall sind. Genauer: bei Rheinmetall Automotive. Diese Abteilung des Rüstungskonzern entstand die Umbenennung der aus einer Fusion von KS Kolbenschmidt GmbH Neckarsulm und der Pierburg Neuss GmbH hervorgegangenen Kolbenschmidt Pierburg AG. Während Kolbenschmidt durch die Nähe zum NSU-Automobilbau über viele Jahre wichtiger Zulieferer der Autoindustrie war, spielte Pierburg in der NS-Zeit eine wichtige Rolle in der Rüstungsindustrie, was dazu führte, dass die Firma nach Kriegsende nach Neuss umzog, sich komplett neu aufstellen musste und sich auf die Pkw- und Lkw-Branche konzentrierte.
Ältere Neusser und Düsselorfer Bürger:innen ist Pieburg vor allem als wichtigster Arbeitgeber in Neuss und für seine Vergaser bekannt. Bereits 1986 kaufte sich Rheinmetall in das Unternehmen ein. Nun ist es aber so, dass sich die Pierburg AG schon sehr früh im Neusser Handballsport engagierte – wie Rhein-Vikings-Boss Thomas Koblenzer The Düsseldorfer 2018 erzählte:
1986 wurde die Pierburg KG von der Rheinmetall AG übernommen, arbeitet aber unter dem alten Namen weiter, und 2014 wurde das Werk Niederrhein auf der Neusser Hafenmole in Dienst gestellt. Schon immer hatte sich Pierburg in Neuss für verschiedene Projekte engagiert und auch Sportvereine gefördert – z.B. den Neusser HV. Der spielte in der dritten Bundesliga folgerichtig mit dem Logo dieses Sponsors auf der Brust. Und vermutlich würden auch die HC Rhein Vikings diesen Namen bewerben, hätte es nicht eine tiefgreifende Neusortierung der Rheinmetall-Geschäftsbereiche gegeben. Aus Pierburg wurde Rheinmetall Automotive, und die ersten Trikotsätze der Rhein Vikings waren mit diesem Sponsorenschriftzug bestückt. Dann aber beschloss das Konzernmarketing, die diversen Sponsor-Aktivitäten zu bündeln und nur noch simpel unter „Rheinmetall“ aufzutreten. So kommt der Name des heftig umstrittenen Rüstungskonzerns auf die Hemden der Handballer. [Quelle: The Düsseldorfer vom 25.Mai 2018]
Die Bildung der HSG Neuss/Düsseldorf und des Zweitligateams der Rhein Vikings wurde seinerzeit von der Sportstadt Düsseldorf ein wenig halbherzig gefördert. Erstens wollte man in Düsseldorf, der Stadt, in der einst die TuRU als europäische Spitzenmannschaft brillierte, gern wieder Erstligahandball haben, zweitens sollte mit den Rhein Vikings die Auslastung des Castello verbessert werden, andererseits glaubte man nie so recht an das Projekt. Und ohne es je mit den Verantwortlichen der Rhein Vikings besprochen zu haben, holte Brill mal eben Erstligagastspiele in den Rather Dome.
Anstatt also das Projekt „Erstligahandball in Düsseldorf“ zu fördern, überließ man die Rhein Vikings ihrem Schicksal, das vor allem sportlich ziemlich bescheiden aussah. Zwei Saisons hielt man in der zweiten Liga durch, dann folgte der Abstieg in Liga 3, und die finanziellen Probleme führten im Januar 2020 zum Rückzug des Teams aus dem Spielbetrieb und dem Ende der Rhein Vikings und der HSG Düsseldorf/Neuss.
In diesem Licht betrachtet hat der D.Sports-Rheinmetall-Deal ein paar spannende Facetten. Erstens: Pierburg Neuss als Vorgänger von Rheinmetall Automotive ist traditionell Sponsor des Neusser Handballs. Zweitens: D.Live-Brill will den Erstligisten Bergischer HC immer öfter im Rather Dome spielen sehen. Drittens: Und macht den Bergischen Löwen das durch ein von ihm vermitteltes Sponsoring des Gesamtkonzerns Rheinmetall schmackhaft. Und weil der Brill der Brill ist, schmiedete er diesen Deal quasi im Alleingang und an den Gremien vorbei, die er eigentlich zumindest hätte informieren müssen. DAS ist der eigentliche Skandal.