Bericht · Menschen, die global denken, das Gemeinwesen im Blick haben und sich schon immer ihrer lokalen Verantwortung bewusst sind, denen ist es egal, wo sie arbeiten. Viel wichtiger ist ihnen, wie sie arbeiten. Darum ist es gar nicht so brisant, dass die Galerie Conrads Ende November in Düsseldorf aufhört. Denn sie macht weiter. Und zwar in Berlin. [Lesezeit ca. 5 min]

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Man könnte jetzt meinen, es wäre schlimm für Düsseldorf, wenn Helga Weckop-Conrads und Walter Conrads ihren 1992 gestarteten Galeriebetrieb in Düsseldorf, zuletzt auf der Lindenstraße 167, schließen. Wenn sie ihre Idee von Galerie, 1989 als Kollektiv unter dem Namen „Kunstkomplex“ noch in Neuss begonnen, jetzt verlagern. Es wäre nachteilig für die Kunstszene, für die Düsseldorfer Galerienlandschaft, in der die Galerie Conrads eine wichtige Säule war, und vor allem für die im Output der hiesigen Kunstakademie Fuß suchenden KünstlerInnen.

Walter Conrads and Helga Weckop-Conrads during the 'WELT' - Vernissage of Brigitte Waldach on August 29, 2015 in Duesseldorf, Germany.  (Photo by Mathis Wienand/Getty Images)

Walter Conrads and Helga Weckop-Conrads during the ‚WELT‘ – Vernissage of Brigitte Waldach on August 29, 2015 in Duesseldorf, Germany. (Photo by Mathis Wienand/Getty Images)

Aber dem ist nicht so. Denn die Conrads machen wesentlich weiter als gedacht, aber dazu später. Das mit dem Weitermachen liegt auch daran, dass Helga Weckop-Conrads eine Frau ist, die immer weiter geht und steht als viele andere. Und dass Walter ein stiller Mann ist, bei dem die Götter lernten, was Freundlichkeit bedeutet, und die ihn darum mit der Gabe versahen, das bisher Nichtgesehene zu sehen. Das ist wichtig, wenn Kunst aus dem Atelier in die Welt, wenn die Arbeit der Künstler für das Nötige wie Brot, Wein und Obdach sorgen soll. Denn wer nicht weiß, was berührt, und wie man das vermittelt, kann Autos, Aktien oder Achtsamkeit verkaufen, aber keine Kunst. Kunst kennt keinen Preis und auch nicht wirklich einen Markt, sondern sie bedarf der Interpretation, des Spielraums und der Fähigkeit zur Tiefenschärfe.

Helga kommt vom Filmemachen, sie hat den Blick der Regisseurin, der wichtig ist, damit Dinge, die gesagt werden müssen, auf den Punkt kommen. Früher als andere hat sie in ihrem 1987 gemeinsam mit Barbara Bongartz noch in 16mm gedrehten Film „Nach allen Regeln der Kunst. Künstlerinnen in der BRD“ bemängelt, dass die Kunst, obwohl weiblich, bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts vornehmlich männlich war. Der Film lief während der Dokumenta 87 In den Kinos, rüttelte auf, ist dieses Jahr von der Digital Heritage Service GmbH in Willich digitalisiert worden und heute auf Youtube zu sehen.

Das Office der Galerie Conrads an der Lindenstraße (Foto: Conrads)

Das Office der Galerie Conrads an der Lindenstraße (Foto: Conrads)

Suffragettismus war und ist ein Zeichen für Wendepunkte im Menschendasein. Heute haben wir mit Kamala Harris (womöglich nächste US-Präsidentin), Maja Göpel (Unsere Welt neu denken) oder Mariana Mazzucato (nachhaltig Wirtschaften) wieder Beispiele dafür, dass Dinge, die man immer für richtig hielt, endlich als falsch erkannt, kritisiert und geändert werden. In diese Riege reiht sich Helga Weckop-Conrads ein, indem auch sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten etwas tut: Handeln. Das ist zum einen ihr Part beim Betrieb der Galerie, und zum anderen ihre Position in Sachen Klimadiskussion.

Grund für ihren und Walters Umzug nach Berlin nämlich sind der Wunsch nach Tapetenwechsel und nach Konsequenz im Umweltschutz. In Spree-Athen sei beides möglich. Weil sich dort der Blick auf Kunst weiter aufmachen und dadurch auch Kunst besser vermitteln lassen, weil diese Stadt einfach ein anderes Pflaster sei. In Berlin verkehre internationales Publikum ganzjährig. „Wir haben viele internationale Künstler*innen im Programm, die haben alle unsere Entscheidung begrüßt, in Berlin-Mitte weiterzumachen. Auch haben Künstler, die sehr gefragt und schwierig zu bekommen sind, direkt zugesagt, in den neuen Räumen in der Joachim-, Ecke Auguststraße auszustellen.

Die letzte Ausstellung: Hirosuke Yabe im November 2020 (Foto: Conrads)

Die letzte Ausstellung: Hirosuke Yabe im November 2020 (Foto: Conrads)

Hier wollen die beiden Conrads in Zukunft weiter und erweitert das tun, was aus ihrer Sicht Galeristen ausmacht: Klartext reden. Und live am Kunstbetrieb teilnahmen. „Wir arbeiten nicht im Handel, sondern als Katalysator. In Berlin wollen wir unsere Sammlung ergänzen, neue Künstler*innen kennenlernen. Unsere Arbeit besteht darin, eine Vorauswahl zu treffen und diese so zu präsentieren, dass es bei Kennern, Interessierten, Sammlern oder eben auch Zufallskäufern ‚ping!‘ macht. Das ist ganz wichtig. Dass ein Funke überspringt.“

„Seit März dieses Jahrs hatten wir corona-bedingt mehr Zeit nachzudenken, als uns lieb war. Aber das hatte auch sein Positives, denn wir entwickelten eine unglaubliche Lust auf spürbare Veränderung“. Und zu der gehörte für beide neben dem Ortswechsel auch die Abkehr vom übermäßigen Reisen. Mal eben für fünf Tage zur Art Miami oder drei Tage zur Art Basel HongKong, das ist Conrads inzwischen über, das werden sie in Zukunft sein lassen und das könne gerne auch als politisches Statement gesehen werden.

Die letzte Ausstellung: Aneta Kajzer & Thomas Trum im November 2020 (Foto: Conrads)

Die letzte Ausstellung: Aneta Kajzer & Thomas Trum im November 2020 (Foto: Conrads)

Noch früher als das Filmemachen begann bei Helga Weckop-Conrads das Interesse daran, wie Kunst überhaupt entsteht. Schon in der Oberstufe war sie Gasthörerin bei Heinrich Theissing und Werner Hofmann an der Kunstakademie und lernte: „Da wird nichts aus dem Ärmel geschüttelt.“ Da passiert was. Komplexe Vorgänge im Kopf, Sehen lernen, Ausdrucksfähigkeiten weiterentwickeln, Stil ausbauen. Spannend. „Seitdem bin ich jedes Jahr auf dem Februar-Rundgang der Kunstakademie. Ich komme da jedes Mal verwirrt raus, aber es bleibt auch immer was hängen“. So waren immer wieder neue Kontakte entstanden, etwa zu Katharina Grosse, die Conrads irgendwann zu groß wurde, oder zu Beat Streuli, den die Galerie nach wie vor vertritt.

A propos vertreten: In der Galerie ist Helga die Frontfrau. Sie sagt: „Immer schön, wenn bei einer Ausstellung alle zuerst auf den Herren Galeristen zugehen…“ Doch sie meint das nicht so barsch. Irren sei menschlich und wichtig sei nur, dass die Einsicht eintrete und der Blick frei werde auf die Aufgaben, das Aktionsfeld, das beide bespielen und bearbeiten, auf die Impulse, die beide auf ihre Art geben.

Hatespeech, 1992 am 1. Düsseldorfer Standort Kirchfeldstraße, die der Sprayer später selbst entfernte (Foto: Conrads)

Hatespeech, 1992 am 1. Düsseldorfer Standort Kirchfeldstraße, die der Sprayer später selbst entfernte (Foto: Conrads)

„Man muß eine Menge an Einsicht gewinnen, um eine Vorstellung davon zu entwickeln, was in einer Galerie erfolgreich gezeigt werden kann. Zu dieser Ein- oder Innensicht in die Kunst gehört auch, dass wir immer nur aus dem Galerieprogramm heraus verkauft haben.“ Kunst könne natürlich auch als Ware an Märkten Absatz finden, auch mit hohen Gewinnen, sie komme aber und vor allem erst dann zu Wert, wenn jemand sich die Mühe mache, Wesentliches zu verstehen, zu entdecken und zu vermitteln. Wer in der Lage sei, dies zu verdichten, der brauche Kunden nicht zu bearbeiten. Ein überzeugendes Angebot reicht. „Und am Besten ist, du musst gar nichts sagen. Nur zeigen.“

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