Fragt man Neu-Düsseldorfer*innen, was die Lausward ist, erntet man meist ratloses Schweigen. Denn obwohl die ehemalige Carl-Theodor-Insel praktisch um die Ecke von Altstadt und Zentrum liegt, kennen viele dieses Idyll am Kraftwerk nicht – bestenfalls den Paradiesstrand unterhalb des Hafens und vielleicht auch noch den Golfplatz. Dabei handelt es sich um eine der schönsten und stillsten Ecken am Rhein auf Düsseldorfer Stadtgebiet.
Über die Bedeutung des Namens gibt es mehrere Theorien, keine davon ist wirklich belegt. Im Grossen Düsseldorfer Lexikon heißt es schnöde, die Nachsilbe „werth“ stünde bekanntlich für „Insel“ und zusammen mit „lus“ wäre es eben eine Schilfinsel gewesen. Nun ist die Annahme, „ward“ wäre eine Form von „werth“, einigermaßen abenteuerlich, denn im Rheinischen tragen Orte, die einst Flussinseln waren, durchweg die Silbe „werth“. Im Grimm’schen Wörterbuch aber finden wir den Begriff „Warde“, der „eine weidenpflanzung zur sicherung gegen das wasser in deichgegenden“ bedeutet. Und die „lus“ ist in allen älteren Formen des Hochdeutschen einfach die Laus. Könnte also sein, dass es sich um eine mit Weiden bepflanzte Insel voller (Blatt)Läuse gehandelt hat.
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Tatsächlich war der Name Lausward für das Gebiet zwischen Hamm und den Stadtviertel südlich der Altstadt überhaupt nur bei den Bauern der Rheindörfer so bekannt. Für die Düsseldorfer Bürger*innen war es die Carl-Theodor-Insel, benannt nach dem pfalz-bayerischen Kurfürst, der auch Herzog von Jülich und Berg war und ab Mitte des 18. Jahrhunderts die Stadterweiterung betrieb – ihm zu Ehren heißt das Viertel südlich der Altstadt mit dem Markplatz Carlstadt.
Weil die ehemalige Insel sumpfig war und die Bauern seit alters her fürchteten, der Rhein können sie eines Tages bei Hochwasser einfach wegschwemmen, verzichteten sie darauf, dort Äcker anzulegen. Die kollektive Furcht dürfte damit zu tun haben, dass bis zum Ende des 15. Jahrhunderts dort das Dorf Niel, das etwa gleichzeitig mit Düsseldorf selbst im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde, existierte, dass ein schlimmes Hochwasser (vermutlich das von 1486) einfach davonspülte.
Bekanntlich war der Rhein bis zu seiner Begradigung und dem Umbau zur Wasserstraße im 19. Jahrhundert ein stark mäandernder Strom, der nördlich der engen Mittelrheintäler langsam durch flache Landschaften zog und sich dabei in etliche Arme teilte. Viele der Altrheinarme sind zwischen Köln und Duisburg noch gut erkennbar; die niederrheinische Auenlandschaft ist das Erbe des unzivilisierten Rheins. Wie lange genau die Lausward eine Insel war, ist kaum noch zu belegen – höchstens aber bis um 1815 herum, denn alle Karten der Region aus den Jahren danach zeigen keinen umfließenden Rheinarm mehr.
Jedenfalls lag das Gebiet, das am nördliche Ortsrand von Kappeshamm unten am Rhein beginnt und sich linsenförmig bis ungefähr zum heutigen Standort des Rheinturm hinzog, über Jahrhunderte eine Brache gewesen. Die Gegend, auf der heute der Golfplatz existiert, wurde ab 1886 für eine Galopprennbahn genutzt, die auf Initiative der preußischen Kavallerieoffiziere entstand. Und dann kam die Carl-Theodor-Insel dank des legendären W. T. Mulvany ins Gerede als mögliches Hafengelände. Dass Düsseldorfer einen richtigen Hafen bräuchte, war schon mit dem Beginn der Eisenbahnära klar, denn zuvor konnten Handels- und Passagierschiffe nur einfach vor der Stadt ankern.
Den von Napoleon geforderten und dann auch ausgebaggerten Sicherheitshafen (der ungefähr da lag, wo heute die rechtsrheinische Rampe der Oberkasseler Brücke ist) durften noch lange nicht alle Schiffe nutzen, und der alte Berger Hafen war zu klein für die modernen Lastsegler und erst recht für die ersten Dampfer. Mulvany, der Ire und erfolgreiche Industrielle nahm sich des Themas an und schlug zunächst die Golzheimer Insel als Standort vor. Und wenig später als ganz große Lösung, einen Rheindurchstich zwischen Heerdt und Lörick. Dort sollte der Schiffsverkehr fahren, der eigentlich Rhein zwischen Golzheim und der Carlstadt wäre dann ein einziger lange Hafen geworden.
Die Stadtväter schmetterten beide Vorschläge ab und entschieden sich schließlich, den modernen Hafen auf dem nördlichen Ende der Lausward einzurichten. Im Jahr 1886 wurden der Handelshafen und das erste Holzhafenbecken eröffnet, also die Stadt am nächsten gelegenen Becken. Mit dem Aushub wurde wenig später die Ufervorverlegung aufgeschüttet, das Untere Rheinwerft entstand, das als Verlängerung des Hafens bis unterhalb von St. Lambertus diente.
Der Rest der Lausward dämmerte weiter vor sich hin. Nur ganz so still war es dort nicht mehr, denn seit 1871 donnerten die ersten Güterzüge über die neu errichtete Eisenbahnbrücke. Nur Schäfer – das tun sie heute noch – nutzten die Halbinsel als Weidegrund für ihre Tiere. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts hatten Planer dann die Lausward als Standort für das neue Kraftwerk ausgeguckt, denn mit dem Kraftwerk Flingern allein konnte die Stadt nicht mehr auskommen. Irgendwie kam es nicht dazu, aber in den Fünfzigerjahren wurde die Idee aufgegriffen, und als die Bundesbahn zusicherte, einen Teil der Leistung als Bahnstrom abzunehmen, wurden als erstes der Steinkohleblock Anton gebaut. Später kamen als Geschwister die Blöcke Berta, Cäsar und Dora hinzu. Block Emil liefert zudem Fernwärme.
Ab 1998 sollte sich alles ändern. Anton wurde durch einen modernen, gasbetriebenen GuD-Block ersetzt, Berta und Cäsar abgeschaltet, und Dora dient nur noch als Reserve. Dafür wurde 2016 ein supermodernes, deutlich umweltfreundliches Gaskraftwerk als Block Fortuna neben die alten Blöcke gesetzt. Dadurch änderte sich die Silhouette des Kraftwerk, und Fortuna mit dem Schlot in einem verglasten Turm ist beinahe eine Schönheit.
Im Jahr 1978 kam die Lausward in die nationale und auch internationale Presse, denn da wurde eröffnet, was findige Journalisten einen „Volksgolfplatz“ nannten, eine 9-Loch-Anlage, die für jedermann öffentlich zugänglich war und von der Stadt betrieben wurde. Seit 1998 ist der Golf-Sport-Verein Düsseldorf (GSV) Betreiber des Platzes, aber das golfende Publikum ist so gemischt wie eh und je. Denen begegnet die*der geneigte Spaziergänger*in am Beginn oder Ende einer Runde, wenn sie*er den Pfad ganz unten am Wasser benutzt. Ja, eine Runde ist gut möglich, denn es handelt sich ja um eine Halbinsel.
Zum Beispiel mit dem Rheinturm als Startpunkt. Dann geht’s über die Fußgängerbrücke am Medienhafen auf den Fuß- und Radweg auf dem Deich bis zum Paradiesstrand. Richtung Süden kommt man dann am Golfplatz vorbei und sieht das Kraftwerk schon vor sich. Drüben liegt das Heerdter Krankenhaus, später sieht man die Neusser Hafeneinfahrt. So kommt man nach knapp fünf Kilometern an der Hammer Eisenbahnbrücke an. Nach ein paar Metern ortseinwärts stößt man auf die Endhaltestelle der 706, und die S-Bahnstation Hamm ist gleich nebenan.
Es ist nie voll auf der Lausward. Unten am Rhein haben es die Angler*innen ja ohnehin gern leise. Oben trifft man selten auf Spaziergänger*innen, öfter auf Hundehalter*innen, die ihre Vierbeiner dort gern laufen lassen. Und wenn man noch mehr Ruhe genießen will, klettert man auf eine der Kribben, setzt sich und meditiert über den großen Fluss, der vorbeizieht.
Ein Kommentar
Wenn auch nicht direkt an der Spitze der Lausward: Es befand sich (zumindest) in den 1970er Jahren dort ein Verkehrsübungsplatz. Man musste einen Betrag (um die 5 DM) entrichten und durfte dort ohne Führerschein üben. Uns hat dieser Platz sehr geholfen – denn durch die privaten Fahrstunden, die meine Frau dort bei mir nehmen konnte, sparten wir manche Mark gegenüber der Fahrschule. Vor einiger Zeit stellte ich fest, daß es diesen Platz nicht mehr gibt.