Theodorstraße – dieser Name löst bei Düsseldorfer:innen ganz verschiedene Erinnerungen aus. Wir nehmen die Geschichte der Straße auseinander…
Bericht · Kaum eine Gegend steht so sehr für den Übergang Düsseldorfs vom Standort der Schwerindustrie zum heutigen Zustand, der von Verwaltung, Dienstleistung und Handel geprägt ist wie die Theodorstraße in Rath. Und, ja, von einer Gegend zu reden, trifft es besser, denn diese Straße hat ihre Lage und Länge in der Historie mehrfach geändert. Das hat einerseits mit dem Siegeszug der Eisenbahn ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu tun, andererseits mit der Ansiedlung der Mannesmann-Röhrenwerke 1893 in Düsseldorf. Zuvor war der heutige Stadtteil durchweg ländlich geprägt und Teil der Honschaft Rath, die wiederum zum Amt Angerland gehörte. Bereits im 11. Jahrhundert begann man hier die dichten Auenwälder des Altrheins zu roden – weil es sich um das Land „vor der Aap“, also der Hügelkette, die heute als Aaper Wald bekannt ist, nannte man die Gegend „rade vorm ap“, woraus die heutige Bezeichnung entstand. [Lesezeit ca. 5 min]
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Durch diese Felder und Äcker zog sich eine uralte Straße hin, die ungefähr bei Kettwig vom Hellweg abzweigte und dann bis zum Rhein bei Stockum führte, das war der Ursprung der Theodorstraße. Erst der Bau der ersten Eisenbahnstrecken nahm Einfluss. Denn die Stammstrecke der Köln-Mindener-Eisenbahngesellschaft, die 1846 in Betrieb genommen wurde, durchschnitt Rath mittendurch. So entstand Unterrath als der Teil von Rath, der westlich der Bahnstrecke liegt. Damit änderte sich auch die Lage des westlichen Arms der Theodorstraße, der heute Hamborner Straße heißt.
Überhaupt tragen seit etwa 1910 einige Straßen in der Gegend die Namen von Ruhrgebietsstädten. Tatsächlich war Düsseldorf ab etwa 1890 der wichtigste Standort der Stahlröhrenindustrie in ganz Deutschland und wegen der Nähe zu den Hüttenwerken dem Ruhrgebiet eng verbunden. Da ist sind Straßen namens „Am Gatherhof“ und „Am Hülserhof“ Relikte aus der landwirtschaftlichen Ära und erinnern an die großen Güter, zu denen das Land gehörte. Dass Mannesmann hier eine Masse an Feldern kaufte, war kein Zufall, denn so große Flächen gab es in der Nähe der Eisenbahnstrecken sonst kaum in Düsseldorf.
Spätestens ab Beginn der Dreißigerjahre des 20. Jahrhundert war Mannesmann und Rath beinahe ein Synonym. Zwischen Kürtenstraße und Rather Kreuzweg im Südwesten, der Westfalenstraße im Südosten und Am Gatherhof beziehungsweise Theodorstraße im Norden war alles Mannesmann. Drumherum wohnte die überwiegende Mehrheit der Mannesmann-Arbeiter, und nach und nach wurde in Rath alles eröffnet oder ausgebaut, was die angesiedelten Mannesmann-Menschen brauchten. Das Werksgelände selbst war nicht nur riesig, sondern auch laut und dreckig. Erst nach dem zweiten Weltkrieg dehnte sich Mannesmann über den Gatherhof bis zur Theodorstraße aus.
Die selbstverwalteten Häuser
Dort finden sich bis heute zwei Zeilen mit Mietshäusern, die 1912 beziehungsweise 1913 erbaut wurden. Sie bildeten den Kern der Häuser für die Arbeiterfamilien, umfassten aber auch „bessere“ Wohnungen für Mannesmann-Angestellte. Obwohl das Werksgelände im zweiten Weltkrieg oft Ziel britischer und US-amerikanischer Bomber war, blieben die insgesamt rund 25 Häusern weitgehend unbeschädigt, konnten also sofort nach Kriegsende wieder bewohnt werden. Aber in den Sechzigerjahren – die Mannesmann-Röhrenwerke boomten – kamen Pläne auf, das Werksgelände nach Norden über die Theodorstraße hinaus zu erweitern. Damit griffen das Unternehmen und die Stadt Düsseldorf ein Vorhaben des NS-Regimes auf.
Um im Sinne Mannesmann die Theodorstraße verlegen zu können, kaufte die Stadt die Häuser 1978 auf … und kündigte fast allen Mietern. Damit begann ein zuvor intaktes Wohnviertel mit Lebensmittelladen, Kneipen und anderen Einrichtungen langsam abzusterben. Dass die Stadt die Häuser verkommen ließ, tat ein Übriges. Das alarmierte die damals auch mit Hausbesetzungen aktive „Aktion Wohnungsnot“ (AWN), die dafür sorgte, dass Wohnungssuchende dort untergebracht wurden. Etliche Wohnungen wurden ohne großes Aufsehen instandbesetzt.
Tatsächlich kam die Stadt 1983 (als die Röhrenwerke schon lange keine Wachstumsperspektive mehr hatten) mit einem Bebauungsplan um die Ecke, der wieder die Umwandlung des Gebiets nördlich der Theodorstraße in ein Industriegebiet vorsah. Umgehend gründen die Bewohner die „Initiative gegen den zufälligen Abriss der Theodorstraße“ und wehren sich vor allem mit der Begründung, dass mit einer Erweiterung des Mannesmann-Röhrenwerks im 20. Jahrhundert wohl kaum zu erwarten war. Gefordert wurde von der Stadt nicht nur, dass ein Abriss bis zur tatsächlichen Mannesmann-Erweiterung ausgesetzt wird, dass die im Prinzip ordentliche Bausubstanz renoviert, Lärmschutzmaßnahmen ergriffen und die große Wiese hinter den Häusern erhalten bleibt.
In der Phase der Hausbesetzungen wird die Theodorstraße – ähnlich wie die Kiefernstraße – zu einem Hotspot der alternativen Bewegungen mit einer selbstverwalteten Kneipe, einer Kita und einem eigenen kooperativ geführten Laden. Regelmäßige Veranstaltungen machen die Straße zu einem beliebten und belebten Treffpunkt.
Die Verhandlungen mit der Stadt münden 1985 schließlich mit einer Einigung der SPD und der Grünen und damit der Gründung des „Selbstverwaltetes Wohnprojekt Theodorstraße e.V.„(SWT), der noch heute die Wohnungen verwaltet. In der Folge wird 1989 die Abrissgenehmigung für die Häuser an der Theodorstraße aufgehoben, die bis dahin nur zurückgestellt worden war. Grund dafür: Die Mannesmann-Krise, die ihren Grund darin hatte, dass die Aufträge nach Rohrlieferungen für Ölfelder, Bohrinseln und Gastransporte immer weniger wurden – so verlieren 1987/88 1.700 Belegschaftsangehörige ihren Job, und 3.300 Arbeiter produzieren im Rather Werk nicht mehr auf Vorrat, sondern nur noch auf Abruf.
Aufgrund der Aufhebung des Abrissbeschlusses verändern sich die Aufgaben des SWT e.V. Der Kampf um den Erhalt des Wohnraumes ist unnötig geworden. Stattdessen engagiert man sich in der Planung und Durchführung eines Wohnprojektes und der dauerhaften Instandhaltung und Modernisierung der Häuser. Soziale Projekte werden an der Theodorstraße werden mehr und wichtiger. Heute ist der SWT Träger sozialer Arbeit in Nordrhein-Westfalen mit der Aufgabe die Verbindung von Wohnen, Leben und Arbeiten zu realisieren und dabei gleichzeitig die Integration gesellschaftlicher Randgruppen zu fördern.
Die Schaffrath-Höffner-Posse und der Dome
Es war der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin, der im Jahr 2000 die ganze Gegend ins Auge fasst und dort – unabhängig von der Entwicklung der Röhrenwerke – einen modernen Gewerbestandort schaffen will. Als erstes wird dem Möbelhaus Schaffrath ein 42.000 Quadratmeter großes Grundstück für einen Neubau angeboten. Weil Erwin aber am liebsten selbst Großes baute, kam er auf die Idee, quasi als Ergänzung zur Arena in Stockum, eine Großhalle für Eishockey, andere Sportarten und diversen Veranstaltungen zu bauen. Und zwar genau auf dem Grundstück, dass Schaffrath versprochen war. Im Gegenzug verspricht er Schaffrath nicht nur ein passendes anderes Grundstück an der Theodorstraße, sondern verpflichtet sich, kein anderes Möbelhaus in der Nähe zuzulassen. Also sagte Schaffrath 2002 zu, das Grundstück für zwölf Millionen Euro zu kaufen.
Dazu kommt es nicht, weil das Grundstück ohne Weiteres an BMW für ein neues Autohaus verkauft wird, das dann 2008 eröffnet wird. Plötzlich kommt mit Höffner ein anderes Möbelhaus ins Gespräch. Es soll den Kern für ein Zentrum bilden, das weitere, spezialisierte Möbelläden umfasst. Auch dazu kommt es nicht. Im Mai 2005 findet die Grundsteinlegung für den Dome statt, der nach etwas mehr als einem Jahr fertig ist und im September 2006 eröffnet wird. Realisierbar ist das Projekt nur, weil die Düsseldorfer EG verpflichtet wird, ihr geliebtes Eisstadion an der Brehmstraße aufzugeben und in den Dome als Heimspielstätte zu nutzen … was bei DEG-Fans auf Entsetzen und Wut stößt.
Optisch beherrscht der Dome nun die Südseite der Theodorstraße. Gegenüber haben nach und nach Autohändler eröffnet, aber eine Automeile wie in Flingern ist nie entstanden. Auch weitere Pläne für ein sinnvoll strukturiertes Gewerbegebiet zerschlugen sich. Immerhin konnte ein Küchenhaus angelockt werden. Aber südlich der Theodorstraße finden sich noch genutzte Relikte der alten Industrie. Am oberen Ende Richtung A52 wurden einige Jahre später eine ganze Reihe quadratisch-praktischer Bürobauten errichtet.
Stand der Dinge
Mannesmann in Rath ist Geschichte, seit Vallourec das Werksgeländer übernommen hat. Das angedachte Möbelzentrum ist nie entstanden, die angestrebte „Automeile“ auch nicht. Nur das selbstverwaltete Wohnprojekt das lebt weiter und hat dafür gesorgt, dass zumindest diese Ecke der Theodorstraße ein Platz für Menschen geblieben ist.
Ein Kommentar
Danke für diese interessanten Einblicke in die Stadtentwicklung im Norden