Vieles spricht dafür, dass Wild das gesündeste Fleisch liefert, das man momentan zu Mahlzeiten verarbeiten kann. Besonders dann, wenn man den Jäger und – noch besser – den vorbereitenden Metzger persönlich kennt und weiß, wo das getötete Vieh rumgehopst ist, als es noch lebte. Während schon dem Normalveganer der Kamm schwillt, wenn er was vom Jagen hört, gibt es Vegetarier, die Wildbret als einziges Fleisch in ihre Ernährung einbauen. Jedenfalls kann man bei so einem Stück aus Wald und Flur relativ sicher sein, dass keine Stoffe im Fleisch sind, die da nicht hineingehören. Außerdem ist Wild ausgesprochen fettarm, also gesund. Aber selbst unter den bekennenden Fleischfressern – zu denen ich mich unbedingt zähle – gibt es einige, die Wild nicht mögen. Wobei bei jungem Schwarz- oder Rotwild, dass frisch geschlachtet und verarbeitet wird, so gut wie kein „Wildgeschmack“ festzustellen ist, wie sich bei Blindverkostungen nachweisen lässt. Das war früher anders, denn bis vor dreißig, vierzig Jahren wurde alles gefressen, was dem Jäger vor die Flinte kam – und seien es Viecher gewesen, die ihr Haltbarkeitsdatum lange überschritten hatten. [Lesezeit ca. 3 min]

Um aus einem angejahrten Zehnender genießbares Gulasch zu machen, musste das Fleisch bis kurz vor der Gammelgrenze abgehangen werden. Durch den Zersetzungsprozess lösten sich die Fasern teilweise auf. Die dabei freiwerdenden Stoffe im Verein mit den diversen Männlichkeitsaromen verliehen solchem Fleisch ein ziemlich strenges Aroma. Das alles gibt es bei frischem Rotwild nicht. Heutzutage wird ein erlegtes Tier gleich an Ort und Stelle enthäutet und ausgenommen, um sofort nach dem Ende der Jagd von einem Spezialisten unter professionellen Bedingungen fachgerecht zerlegt zu werden. Das Fleisch wird umgehend eingefroren oder durch Vakuumieren haltbar gemacht. Genau diesen Weg ging ein Beutel mit 675 Gramm Rotwildgulasch, der mit von einem Jäger verkauft wurde. Nun habe ich in den letzten Jahren mangels Lieferant kaum je Wild zubereitet. Also sammelte ich erst einmal Rezepte, glich sie miteinander ab und bastelte daraus eine Zubereitungsweise nach meinem Geschmack.

Die Zubereitung

Obwohl dies bei frischem Fleisch von jungen Tieren absolut nicht nötig ist, beizte ich das Gulasch gut vier Stunden in Buttermilch. Das war früher bei Rotwild obligatorisch, denn Fermente in der Buttermilch machen das Fleisch zart und mürbe. Auf den Geschmack hat dieses Marinieren so gut wie keinen Einfluss. Wichtig ist, die Brocken nach dem Beizen gut abzutupfen, damit möglichst wenig Fremdflüssigkeit das Anbraten behindern kann. Die Schmorsauce folgt bewährten Pfaden und basiert auf Schalotten, Tomatenmark, Rotwein und Brühe. Den Inhalt des Gewürzbeutels habe ich beim ollen Mälzer abgeguckt: 6 Lorbeerblätter, sechs angedrückte Wacholderbeeren, drei Thymianzweige und (Überraschung!) ein Sternanis. Zuletzt wird als Reminiszenz an die Traditionen Preiselbeerkompott eingerührt.

Das geht dann so: Brate das Fleisch von allen Seiten in Butterschmalz an, bis es gut gebräunt ist. Nimm das Fleisch raus. Salze und pfeffere es. Brate vier bis sechs gepellte Schalotten am Stück im selben Pott an. Röste ein Döschen Tomatenmark mit an. Lösch mit mindestens einer halben Flasche Rotwein ab. Lass vier, fünf Minuten durchkochen. Dreh runter. Wirf das Fleisch rein. Füll mit heißer Brühe auf, sodass das Fleisch gerade eben bedeckt ist. Gib das Kräutersäckchen rein. Lass die Sache bei sehr kleinem Feuer im gedeckelten Schmortopf um die neunzig Minuten schmurgeln.

Aus Faulheit habe ich mit Wasser aufgefüllt und esslöffelweise Gemüsebrühpulver aus dem Biosupermarkt eingestreut. Der Wein sollte kräftig, aber nicht zu mächtig sein. Ich hatte einen ziemlich unspektakulären Bardolino bei der Hand. Kurz vor Schluss habe ich zwei Esslöffel vom Preiselbeerkompott aus dem Glas eingerührt. War damit nicht glücklich, weil zu süß. Vielleicht wäre ein Schuss Balsamico besser gewesen… Am Ende hast du ein leckeres Ragout mit einer leicht dicklichen Sosse, das nur noch ein bisschen Salz und/oder Pfeffer brauchen wird.

Die Beilagen

Dazu gehen alle altmodischen Sättigungsbeeilagen, wegen der Sosse gern auch Nudeln. Weil gerade die Zeit dafür ist, habe ich Wirsing beigefügt. Den Kopp hab ich in Streifen geschnitten (den Strunk unbedingt großzügig entfernen), die ich hinwiederum für vier Minuten in kochendem Salzwasser blanchiert habe. Dann wurden die Streifen abgeschreckt und im Sieb gut abgetropft. In einem anderen Schmortop habe ich Speck ausgelassen und zwei in Ringe geschnittene Schalotten im Speckfett angeschwitzt. Vom Feuer genommen. Fünfzehn Minuten vor dem Ende des Gulaschs habe ich die Wirsingstreifen zu den Speckziewebeln gegeben und alles auf Schmortemperatur gebracht. Als Schmorflüssigkeit diente das Restwasser im Kohl sowie ein halber Becher Sahne. Durchgerührt braucht das Gemüse dann knapp eine Viertelstunde.

Das Ganze kam daher als so richtig altmodisches Winteressen, wie man es früher in dieser Jahreszeit in jedem stinknormalen Landgasthof serviert bekam.

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