Es wird wohl im Sommer 1957 gewesen sein, dass ich zum ersten Mal ohne die Eltern im Volksgarten war. Bei uns im Block gab es gut und gerne 50 Pänz aller Altersklassen, die bei Wind und Wetter draußen spielten. Aber nur die Großen unternahmen Ausflüge an die Ränder der bekannten Welt. Einer davon war das Ostende der Ballonwiese. Die Wiese war begrenzt durch ein Gebüsch hinter einem Jägerzaun, dahinter dann ein gut zwei Meter hoher Maschendrahtzaun. Wenn den Jungs beim Kicken der Ball über diesen Zaun flog, galt er als verloren, denn niemand traute sich den weiten Umweg über die Oberbilker Allee zu nehmen, um das Ei wiederzufinden, geschweige denn, über den Zaun zu klettern. In jenem Frühsommer, der von einer zweiwöchigen Hitzewelle geprägt war, nahmen mich die Größeren mit auf den Wasserspielplatz, eine wunderbare Erfindung der Düsseldorfer Gartenämtler.
Ein Paradies für Kinder
Das waren für uns Kinder aber nicht die einzigen tollen Orte im Volksgarten. Es gab stille Ecken, wo man unter Bäumen in Comic-Heftchen blättern konnte. Und ausgedehntes Dickicht – ideal für Räuber-und-Gendarm-Partien mit ganz großer Besetzung. Anziehungspunkt war aber auch das Büdchen an der Unterführung zu Emmastraße, wo wir gemischte Tüten kauften und natürlich Brausepulver. Dazu passte dann das Kugelwasser für’n Groschen: dunkelgrüne Glasflaschen, die mit einer Glaskugel verschlossen waren, die der Büdchenbetreiber mit einem Spezialwerkzeug aus dem Flaschenhals holte. Gab man dort Prickelpulver hinein, schäumte es heftig, und das Getränk schmeckte göttlich.
In späteren Jahren war der Volksgarten immer wieder Ziel für Spaziergänge, bei denen man gern auch im Haus Kolvenbach oder an der Gaststätte in der Nähe vom Hennekamp einkehrte. Biergärten gab es noch nicht, aber Terrassen, auf denen man im Sommer gern Kaffee (Nur Kännchen!) und Kuchen nahm. Große Runde konnte man nicht gehen, dafür war der Park zu klein. Erst im Zuge der Bundesgartenschau 1987, für den der Südpark entstand und mit dem Volksgarten zusammengelegt wurde, wuchs das Wegenetz deutlich. Weil man dafür auch den Bereich westlich des Parkplatzes der Phillipshalle (eröffnet 1971) nutze, um eine Weiherlandschaft anzulegen, nahm auch der Volksgarten an Umfang zu.
Bürger erobern den Park
Wie wir wissen, zieht es die Bürger etwa seit Anfang der Neunzigerjahre immer öfter hinaus ins Freie. Picknicks und Grills fand man bis dahin im Volksgarten nur selten; vermutlich waren sie auch verboten. Denn lange galt noch die Denke „Das Betreten der Anlagen ist verboten.“ Aber im selben Maß, in dem die Menschen der Stadt die Straße für sich entdeckten und Gastronomen fast ganzjährig Plätze auf dem Gehweg anboten, eroberten die Düsseldorfer auch den Südpark. Ob die Freizeitkicker auf der Ballonwiese dabei Pioniere waren, ist denkbar. Jedenfalls änderte sich das soziale Leben im Park danach deutlich.
Am Wochenende fanden sich Leute zusammen, um gemeinsam zu trommeln und zu musizieren. Man sah zunehmend Gruppen, die Gymnastik machten oder Yoga praktizierten, und besonders am Sonntagmorgen fielen Scharen von Joggern in den Volksgarten ein. Und dann entdeckten die Familien mit Migrationshintergrund den Park und taten das, was man in südlichen Ländern in Grünanlagen gern macht: gemeinsam grillen, essen und plaudern. Inzwischen gleicht der Volksgarten im Sommer an besonders schönen Tagen einem riesigen Food-Festival, über dem Duft- und Rauchwolken schweben. Schon viel länger existieren in Düsseldorfer Parks teilweise überdachte Stellen mit Steintischen und Bänken. Früher Treffpunkt für skatspielende Rentner und Schachspieler, heute auch Zufluchtsort für Wohnungslose – von denen viele den Volksgarten als Möglichkeit, in Ruhe gelassen zu werden, sehen.
Einen umzäunten Hundeauslauf gibt es inzwischen auch; leider liegt er im Schatten hoher Bäume, sodass am Boden nichts wächst und sich das Gehege beim Regen in eine Schlammwüste verwandelt. Trotzdem ist der Volksgarten auch ein guter Ort, den Hund Gassi zu führen – aber immer schön an der Leine, denn das ist hier Vorschrift und angesichts des dichten Spaziergänger-, Jogger- und Radverkehrs auch absolut sinnvoll.
Wem gehört der Volksgarten?
Als die Pläne für die Buga 1987 vorlagen, stellten sich kritische Bürger die Frage, ob die Stadt den Volksgarten mir nichts, dir nichts in den Südpark integrieren dürfe und welche Art Eingriffe überhaupt legitim seien. Denn wer das Gelände wie nutzen darf, war unklar. Wikipedia sagt dazu:
Die Stadt Düsseldorf erwarb zu diesem Zweck 11 Hektar Land von den Gütern der Grafenfamilie Arenberg im Jahr 1892. Die Patronen- und Zündhütchenfabrik Braun und Bloem kaufte das Gebiet für eine Fabrikerweiterung. Die Stadt schrieb im Kaufvertrag ausdrücklich die Anlage des Volksgartens fest. 1893 erteilte der damalige Oberbürgermeister Düsseldorfs dann die Anordnung, das gesamte Gelände mit angekauftem Park, Stoffeler Friedhof und Kleingartenanlage neu zu ordnen. Der Volksgarten wurde als naturnaher Park in der Form, wie er bis 1987 bestand, angelegt.
[Quelle: Wikipedia]
Unklar war zunächst, auf welche Weise die Arenbergs überhaupt in den Besitz dieser Ländereien außerhalb der 1384 nach Düsseldorf eingemeindeten Ortschaft Bilk gekommen war. Es kursierten alte Legenden, die besagten, die unglückliche Jakobe von Baden habe das Grundstück nach dem Tod ihres schwachsinnigen Gatten den Bürgern Düsseldorfs geschenkt mit der Auflage, es zu deren Nutzen zu verwalten. Tatsächlich ergaben aber ausführliche Studien entsprechender Urkunden, dass an diese schöne Geschichte leider falsch war.
Demnächst droht dem Volksgarten zum ersten Mal in seiner fast 125-jährigen Geschichte ein ernsthafter Schaden. Weil die Bahn für den RRX angeblich weitere Gleise zwischen Hauptbahnhof und dem S-Bahnhof Oberbilk braucht, soll der Bahndamm, der von Beginn an die Nordgrenze des Parks bildet, zu Lasten der Grünanlage verbreitert werden. Während der Bauarbeiten wird ein breiter Streifen zwischen Hennekamp und Emmastraße nicht mehr nutzbar sein, Dutzende Bäume sollen fallen. Dagegen haben Düsseldorfer Bürger inzwischen tausendfach Einspruch erhoben. Vielleicht kommt der geliebte Volksgarten ja doch ungeschoren davon.